Insel meiner Traeume
was du wolltest. Dachtest du, danach könntest du so tun, als wäre nichts geschehen?«
»Wenn du es unbedingt wissen musst, Kassandra - ich habe überhaupt nicht nachgedacht«, gestand Joanna leise. »Ich entsinne mich nicht einmal mehr, wie man denkt. Anscheinend habe ich diese Fähigkeit in England zurückgelassen, ebenso wie meine Vernunft - falls ich sie jemals besaß ...«
Zu ihrem Entsetzen füllten sich ihre Augen mit Tränen. Verlegen stürmte sie aus dem Arbeitsraum. Im Schlafzimmer trat sie an eines der großen Fenster und starrte auf die Stadt hinab. So schön, so friedlich, so normal... Oder lag ein schwarzer Schatten über der Idylle?
Kassandra folgte ihr und berührte ihre Schulter. »Bald werden sich die Frauen zum Gebet versammeln. Begleitest du mich?«
Vor wenigen Wochen hätte Joanna die Gelegenheit, an einer religiösen Zeremonie im sagenhaften Königreich Akora teilzunehmen, begeistert wahrgenommen. Dass sie nur ein schwaches Lächeln zustande brachte und das Angebot ablehnte, bekundete das Ausmaß ihres Kummers. »Diesmal nicht, danke.«
Verständnisvoll nickte die Prinzessin. »Im Leben gibt es so viele Wege, und wir müssen uns immer wieder für diese oder jene Richtung entscheiden. Das fällt uns bei jeder Abzweigung schwer. Letzten Endes ist wohl am besten, wir gehorchen der Stimme unseres Herzens.«
Joanna erwiderte ihren eindringlichen Blick. »Erwartet Alex, dass ich mein Problem ihm überlasse?«
»Nun, er ist ein Mann.« Seufzend zuckte Kassandra die Achseln. »Muss ich noch mehr sagen?«
»Nein, ich denke nicht.« Als sich die Prinzessin zum Gehen wandte, hielt Joanna sie zurück. »Haben wir uns das Theaterstück nur angeschaut, um uns zu zerstreuen?«
Für einige Sekunden wirkten Kassandras Augen ungewöhnlich groß und unergründlich. Dann blinzelte sie, und Joanna las tiefe Weisheit in ihrem Blick. »Entsinnst du dich, was ich einmal gesagt habe? Nichts ist in Stein gemeißelt. Die Zukunft können wir nicht ändern, aber unsere Zukunft wählen.«
Lange, nachdem die Prinzessin das Zimmer verlassen hatte, stand Joanna immer noch am Fenster. Ihr Blick folgte der gewundenen Straße zum Amphitheater hinauf, wo die Vergangenheit weiterlebte, und in die glanzvolle Gegenwart der Stadt hinab. Oft genug hatten frühere und jetzige Zeiten unerforschte Möglichkeiten beinhaltet und auf Entscheidungen gewartet.
Was wird geschehen, wenn ich vor der Gabelung meines Weges stehe?
Soll ich gehen oder bleiben?
Alex’ Wünsche erfüllen oder ihn erzürnen?
So sein, wie er es will?
Ich selbst sein?
Wenn er auch nicht Hektor war - er verlangte, dass sie Andromache spielte und fügsam am heimischen Herd ausharrte.
Der Wind drehte sich und wehte vom Meer herüber. Wie auf Hawkforte, wo er über den Kiessand unterhalb der alten Mauern hinwegfegte... Mochte sie auch weit entfernt von ihrem Zuhause sein, sie bewahrte es stets in ihrem Herzen.
Und in ihrer Seele regte sich die Kraft von Generationen. Ohne einen Blick zurückzuwerfen, rannte sie aus der Suite.
13
»Beeilt euch!« Alex stand am steinernen Kai und beobachtete seine Männer, die das Schiff klarmachten. Dabei vermied er es, allzu oft in die Richtung der Straße zu schauen, die zum Palast hinaufführte. Er hatte Joanna unmissverständliche Anweisungen gegeben. Trotz ihrer Fähigkeit, sein Gehirn zu benebeln, sodass er manchmal nicht einmal zwei zusammenhängende Gedanken fassen konnte. Und da er sich so eindeutig geäußert hatte, sah er keinen Grund, warum sie seine Wünsche missachten sollte.
Keinen Grund außer ihrem Eigensinn.
Nur zur Sicherheit winkte er den nächstbesten Mann zu sich. »Ein paar Leute sollen das Schiff durchsuchen, vom Bug bis zum Heck, und sich vergewissern, dass niemand an Bord ist. Niemand, der nicht hierher gehört.«
Da das Besatzungsmitglied ein disziplinierter Krieger war, zuckten seine Mundwinkel nur ein kleines bisschen. »Zu Befehl, Archos.«
Natürlich würde sie nicht versuchen, noch einmal als blinder Passagier auf das Schiff zu gelangen. Aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Kurz danach kehrte der Mann zurück und erklärte, niemand sei an Bord, der dort nichts verloren habe. Aber Alex’ Wachsamkeit ließ nicht nach. Nun spähte er unentwegt zur Palaststraße hinüber, und er sprang erst an Deck, nachdem seine Männer den Anker der Nestor bereits gelichtet hatten. Während er am Steuer stand, wurde er immer noch von seiner Sorge geplagt - bis der Kai von Ilius aus seinem Blickfeld
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