Insel meines Herzens
wieder in Gelächter aus, das in Jubelrufe überging, als der Vanax die Geschenke auspackte, die er aus Akora mitgebracht hatte. Joanna und Kassandra erhielten exquisite Glasfläschchen, von Silber- und Goldfiligran umrankt, gefüllt mit den seltensten, kostbarsten Düften, die berühmte akoranische Parfümeure komponiert hatten. Ebenso begeistert zeigten sich Alex und Royce von edlen Schwertern mit perfekt geformten, scharf geschliffenen Klingen. In die hölzernen Griffe waren uralte Symbole eingraviert, die den Besitzer verpflichteten, stets ehrbar zu fechten. Nachdem die Geschenke verteilt und ausgiebig bewundert worden waren, erhob sich Brianna. Mit einem scheuen Lächeln erklärte sie: »Nun muss ich euch alle um Nachsicht bitten – mein Geschenk für Atreus ist draußen.«
Erstaunt und neugierig bestürmten sie Brianna mit Fragen, die nicht beantwortet wurden. In warme Mäntel gehüllt, verließen sie das Haus und stapften durch den wirbelnden Schnee zu den Stallungen.
»Wo ich’s sonst verwahren sollte, wusste ich nicht.« Brianna führte sie alle in einen Stall und nahm Alex die Lampe, die er mitgenommen hatte, aus der Hand. »Vor Weihnachten durfte es niemand finden.« Im gelblichen Licht zeigte sich eine gewöhnliche Box, sauber gefegt und leer – bis auf einen mannsgroßen Steinblock.
Langsam trat Atreus vor und streckte eine Hand aus. In seinen Augen erschien ein eigenartiger Glanz. »Was ist das?«, flüsterte er.
»Quarz«, erwiderte Brianna. »Rosenquarz, wie mir Onkel William erklärt hat. Bei einer unserer Besichtigungstouren kamen wir zu einer Klippe in der Nähe des Hauses, die an einem felsigen Strand emporragt. Und am Fuß dieser Klippe befindet sich ein weiches Gestein in einer bemerkenswerten rötlichen Farbe. Daraus stellen die Leute Töpfe her. Darüber erhebt sich ein Quarzwall.«
»Wie ist dieser Block hierher gelangt?« Ehrfürchtig strich Atreus über die schimmernde Fläche.
»Im Lauf der Jahre haben sich einige Quarzstücke gelöst. Als ich meinen Onkel fragte, ob ich dir eines schenken dürfte, bestand er darauf, mir dieses hier zu überlassen, das allergrößte, und seine Dienstboten trugen es eines Nachts in den Stall von Hawkforte.«
»Einfach wundervoll... Mit Marmor habe ich gearbeitet, mit Gneis, Granit und Alabaster, mit vielen verschiedenen Gesteinsarten – aber noch nie mit einem so reinen Quarz.« Atreus Hände liebkosten den Block, als würde er in Gedanken bereits die Gestalt formen, die er ihm entlocken wollte. »Danke, Brianna. Welch ein außergewöhnliches Geschenk.«
Glücklich über den Erfolg ihrer Wahl, beobachtete sie, wie er den Quarz abtastete, mit dem sicheren Geschick eines Künstlers. Auf dem rosigen Gestein wirkten seine Hände goldrichtig – als wären sie untrennbar damit verbunden. So ähnlich hatte er sie berührt. War auch das richtig?
Sie griff nach dem Saphir an ihrer Halsgrube, der sich schwer und kalt anfühlte. Aber unter ihren Fingern erwärmte er sich. Die Träne des Himmels, ein Name, der bitteres Leid ausdrückte... Würde sie das Juwel behalten, mit allem, was es ihr bringen mochte? War ihr ein leidvolles Schicksal bestimmt?
Oder würde sie Freudentränen weinen?
»Morgen erwarten wir das Schiff.« Royce musterte den Quarz. »Diesen Stein müssen die Männer so vorsichtig wie nur möglich an Bord tragen.«
Atreus nickte, und die Männer besprachen, auf welche Weise das geschehen sollte. Nur mit halbem Ohr hörte Brianna zu. Sie dachte an das Schiff, das der Vanax besteigen würde, um nach Akora zurückzukehren.
Würde sie ihn begleiten?
Kapitel 9
D er Tag nach Weihnachten war angebrochen. Doch das Tageslicht würde Briannas Zimmer erst in einigen Stunden erhellen. So dringend brauchte sie ihren Schlaf. Ihre trockenen Augen brannten. Trotz der schwelenden Asche des Kaminfeuers und der dicken Decken, die sie einhüllten, zitterte sie vor Kälte und fror bis auf die Knochen. Die Träne des Himmels schmiegte sich nicht mehr an ihren Hals. Jetzt lag der Saphir in der mit Intarsien verzierten Kassette, die Atreus ihr überreicht hatte.
Bevor sie zu Bett gegangen war, hatte sie die Schatulle auf ihren Toilettentisch gestellt. Würde sie das Juwel jemals wieder tragen? Sollte sie es anlegen?
Beklommen seufzte sie, und der leise Laut mischte sich mit gedämpften nächtlichen Geräuschen. In plötzlicher Ungeduld sprang sie auf und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Noch länger ertrug sie es nicht, unter dem Deckenberg auszuharren.
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