Insel meines Herzens
freiwillig an Bord gegangen. Dazu hatte er sie nicht, wie zunächst befürchtet, zwingen müssen. Hätte er es getan? Auf der Fahrt nach England war er gar nicht auf den Gedanken gekommen, sie könnte nicht mit ihm nach Akora zurückkehren. Jetzt kannte er sie besser – das Wesen einer eigenständigen Frau – und staunte über seine einstige Arroganz. Hatte Alex ihn nicht zu warnen versucht? Wenn ich bloß auf ihn gehört hätte, denn mein Bruder kennt den Unterschied zwischen einer Frau, die ein Mann zu begehren glaubt, und jener, die er lieben lernt...
Plötzliches Gelächter erregte seine Aufmerksamkeit. Etwas entfernt standen auch Joanna und ihr Ehemann an Deck. Alex hielt Amelia fest, die sich mit bewundernswerter Energie aus ihrer Babydecke wand. Einen Arm hatte sie bereits befreit und schwenkte ihn vor dem Gesicht ihres Vaters. In der Nähe beobachteten Royce und Kassandra die Possen des kleinen Mädchens.
Die Gegenwart seiner Familie war dem Vanax stets willkommen. Sie alle liebte er von Herzen. Er wünschte nur, er fände eine Gelegenheit, etwas Zeit mit Brianna allein zu verbringen. Sehr viel Zeit...
In diesem Moment wandte sie den Kopf zur Seite, und er sah das winterliche Sonnenlicht auf ihrer glatten Wange schimmern. Ungeachtet der makellosen Statue in seiner Kabine – Marmor war nicht das richtige Material für Brianna, Lehm ebenso wenig. Nichts dergleichen vermochte ihren Zauber vollkommen einzufangen.
»Rieche ich Marinos ?«, fragte sie.
Grinsend schnüffelte Atreus. »Ja, allerdings. Und keine Minute zu früh. Wann hast du zum letzten Mal Marinos gegessen?«
»Oh, das ist schon viel zu lange her!«, rief sie über die Schulter, bereits unterwegs in die Richtung des köstlichen Dufts.
Ein eiserner, von Steinplatten umgebener Herd hatte das Interesse mehrerer Krieger erregt. Während sich einige kraftvolle, von unzähligen Schlachten gezeichnete Veteranen um die Zubereitung der Mahlzeit kümmerten, wehrten sie die Anregungen ihrer Kameraden verächtlich ab.
Höflich machten sie Brianna Platz, und sie dankte ihnen mit einem Lächeln. Dann schnupperte sie anerkennend.
Mit dem verlockenden Aroma kehrte eine Flut von Erinnerungen zurück, die sich geradezu überstürzten. Ihre Mutter vor dem Herd im Freien neben dem Haus, wo stets gekocht wurde, außer an Regentagen... Gutmütig stritt sie mit dem Vater über die richtige Dosis der Gewürze. Die Brüder saßen unter der gestreiften Markise am großen, grob gezimmerten Tisch aus Teakholz. Mit flinken Fingern lösten sie die kleinen Krabben und die Langusten aus. Die hatten sie erst vor etwa einer Stunde mit Netzen im Binnenmeer gefangen und in Säcken, von Seetang befeuchtet, nach Hause gebracht. Und Brianna glaubte sich selbst zu sehen, wie sie die gierigen Katzen verscheuchte... Eifrig kämpften sie um Leckerbissen von den saftigen Felchen, die – sorgsam geschuppt, filetiert und zu mundgerechten Stücken geschnitten – im simmernden Topf garen sollten.
Wieder einmal empfand sie brennende Sehnsucht nach ihrer Familie und wandte sich rasch ab – jedoch nicht schnell genug, um dem prüfenden Blick des Vanax zu entrinnen.
Als sie an die Reling trat, folgte er ihr und legte behutsam eine Hand auf ihren Arm. »Geht es dir gut, Brianna?«
Irgendwie gelang es ihr, leise zu lachen. »Es ist so seltsam... Obwohl ich jetzt nach Hause fahre, verspüre ich tieferes Heimweh denn je.«
»Bald sind wir am Ziel«, versprach er leichthin und widerstand dem Impuls, sie zu umarmen. Die mangelnde Privatsphäre störte ihn. »Aber ich wünschte, wir wären noch schneller da.«
Wie er das meinte, wusste sie, weil sie seine Gefühle teilte. »Atreus, was zwischen uns geschah...«
»Was geschehen musste. Wenn du es bereust, würde ich’s bedauern. Mit der Zeit wirst du...«
»Nein, ich bereue nichts«, unterbrach sie ihn. »Ich finde nur – damit ist nicht alles geregelt.«
Im Grunde war er ein Verstandesmensch, bei persönlichen und politischen Konflikten gleichermaßen. Und so zügelte er seine Emotionen. Trotzdem hatte er vor vier Tagen, in Briannas Bett, seine Selbstbeherrschung verloren – und inzwischen anscheinend nicht zurückgewonnen.
»Verdammt noch mal – alles ist geregelt!« Bevor sie Atem holen konnte, um zu protestieren, trat er näher zu ihr, schützte sie vor den Blicken der anderen an Deck und umfasste ihre Schultern. »Rückhaltlos und voller Glut hast du dich mir hingegeben. Keine Zeremonie könnte uns enger verbinden. Versuch
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