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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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Seite wich, als wäre er sein Schatten.
    Bevor mein Erlebnis an den Klippen seine verderbliche Wirkung auf meine Seele auszuüben begann, hätte diese letzte Bemerkung mich vollkommen bestürzt. Vater nannte die pawaaws »Seelenmörder«. Er sagte, sie seien Hexenmeister – Leute wie die vom Pfade des Glaubens abgekommenen Frauen, die wir in England auf dem Scheiterhaufen verbrannt hatten. Diese Männer, so berichtete er, versetzten sich selber in Trance und reisten dann durch die Geisterwelt, wo sie sich mithilfe von Kobolden, die in Tiergestalt zu ihnen kämen, mit dem Teufel verständigten. Aus diesen satanischen Verbindungen schöpften sie die Macht, Nebel und Winde aufkommen zu lassen, in die Zukunft zu schauen und je nach Gutdünken Menschen zu heilen oder mit Krankheit zu strafen. In all diesen Fertigkeiten sei Cheeshahteaumauks Onkel Tequamuck berühmt und berüchtigt. Als Vater zum ersten Mal davon gesprochen hatte, versetzte mich seine Schilderung in solche Angst, dass ich eine Weile lang keiner Rothaut ins Gesicht blicken konnte, ohne mich zu fürchten. Seit dem Singen und Tanzen an den Klippen war meine Angst jedoch einer Faszination gewichen, und Cheeshahteaumauks Enthüllungen machten ihn nur noch interessanter für mich.
    Was meinen Namen anging, so fand auch er ihn ungewöhnlich, als ich ihm sagte, Bethia bedeute »Dienerin«. Er meinte, eine Dienerin sei doch nur eine niedere Kreatur – bei ihnen betrachte man Diener mehr wie Sklaven, Feinde, die man im Krieg gefangen genommen hatte, Menschen also, die man misshandelte und verachtete und manchmal sogar marterte, wenn die Feindseligkeit zwischen den Stämmen besonders groß war. Ich als Enkelin des sonquem der Mantelmänner und Tochter ihres pawaaw sollte einen viel edleren Namen tragen, fand er. Ich versuchte, ihm zu erklären, dass mein Vater kein pawaaw sei, war in seiner Sprache jedoch nicht versiert genug, um ihm klarmachen zu können, welch großer Unterschied darin bestand, ob jemand als Vermittler von Gottes Gnade fungierte oder sich mit dem Teufel gemeinmachte. Ich bemühte mich nach Kräften, ihm die Aufgaben und die Gnade zu schildern, die es bedeutete, ein Diener Gottes zu sein, doch er wollte nichts davon hören und wurde ungeduldig. Mit seinen langen, ausholenden Schritten ging er den Strand entlang, und ich musste laufen, um mit ihm mithalten zu können. Dann drehte er sich urplötzlich herum und verkündete, er habe beschlossen, mir einen neuen Namen nach Indianerart zu geben. Er würde mich »Sturmauge« nennen, weil meine Augen die Farbe einer Gewitterwolke hatten. »Schön und gut«, erwiderte ich. »Aber dann werde ich dich auch umbenennen, weil du mir nicht verhasst bist.« Ich sagte, ich würde ihn Caleb nennen, nach Kaleb, dem Gefährten Moses’ in der Wüste, der bekannt für seine Beobachtungsgabe und seine Furchtlosigkeit war.
    »Wer ist Moses?«, fragte er. Ich hatte ganz vergessen, dass er das nicht wissen konnte. Ich erklärte ihm, das sei ein besonders großer sonquem gewesen, der sein Volk über das Wasser und in ein fruchtbares Land geführt hatte.
    »Du meinst Moshup«, sagte er.
    »Nein«, korrigierte ich ihn. »Moses. Das war vor vielen, vielen Monden. Und ganz weit weg von hier.«
    »Ja, ja, vor vielen, vielen Monden. Aber hier, genau hier.« Wieder verlor er die Geduld mit mir, als wäre ich ein bockiges Kind, das seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. »Moshup hat diese Insel hier geschaffen. Er zog seine Zehe durch das Wasser und schnitt dieses Land vom Festland ab.« Dann fuhr er darin fort, mir lebhaft eine Sage zu erzählen, in der es von Riesen, Walen und Geistern in vielerlei Gestalt nur so wimmelte. Ich ließ ihn reden, weil ich ihn nicht verärgern wollte, aber auch, weil ich gerne der Geschichte lauschte, wie er sie zu erzählen wusste, so lebhaft und mit vielen Gesten untermalt. Natürlich war sie mir fremd. Doch als ich an jenem Nachmittag nach Hause ritt, kam mir der Gedanke, unsere Geschichte von dem brennenden Busch und einem geteilten Meer könnte jemandem, der nicht mit der Gewissheit aufgewachsen war, dass sie der Wahrheit entsprach, ebenso fremd erscheinen.
    Eines Nachmittags, nicht lange danach, waren wir dabei, wilde Johannisbeeren zu sammeln, und taten uns beim Pflücken an den sauren und saftigen Früchten gütlich. Ich legte mich auf einem Bett aus weichen Blättern zurück, verschränkte die Hände unter meinem Kopf und beobachtete ein paar luftige Wolken, die über uns an der blauen

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