Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
würde dieses Vorhaben schwieriger werden, als ich mir vorgestellt hatte. Mein Vater musste wirklich ein wunderbarer Pfarrer sein, wenn er eine Antwort auf derlei Fragen hatte. Ich beschloss, ihn zu begleiten, wenn er das nächste Mal einen otan der Wampanoag besuchte. Ich würde ihm lauschen, wenn er predigte, um herauszufinden, ob auch seine Schäflein dort so verzwickte Fragen stellten, und hören, wie er darauf antworten würde. Mir war klar, dass ich mir dafür einen Vorwand ausdenken musste, da mein Vater gar nicht wusste, dass ich die Indianersprache beherrschte, und denken würde, ich verstünde nichts von dem, was zwischen ihm und seinen Zuhörern zur Sprache kam. Und so erwähnte ich, als ich daheim war, sogleich, ich sei neugierig darauf, zu erfahren, wie denn ein solcher otan aufgebaut war, und würde gerne einmal die wetus besuchen und die squas kennenlernen, die dort lebten (was durchaus der Wahrheit entsprach). Schließlich fragte ich Vater, ob ich ihn denn einmal begleiten dürfe, wenn er das nächste Mal dorthin gehe. Mein Interesse schien ihm zu gefallen, und er meinte, schaden würde es wohl nicht, solange Mutter mich im Haushalt entbehren könne. »Denn die Familie ist ihnen überaus wichtig, und sie halten es für Geringschätzung, dass wir Engländer nicht mehr Bande der Freundschaft zwischen unseren Familien und den ihren knüpfen.«
Ein paar Tage später machten wir uns auf Speckles Rücken auf den Weg. Als wir uns der Siedlung näherten, stiegen wir ab und gingen neben dem Pferd her, denn Vater wollte die Leute begrüßen und ihnen ankündigen, dass er ihnen gerne predigen würde, sobald die Sonne am höchsten stünde. Das Betdorf war für all jene errichtet worden, die mein Vater davon überzeugt hatte, zum christlichen Glauben überzuwechseln, und es hieß Manitouwatootan oder Gottesstadt. Trotz dieses frommen Namens befürchtete Vater, die alten Sichtweisen hätten immer noch großen Einfluss, weil die Leute wirre Vorstellungen vom Christentum und seiner Lehre hätten. Unter den Familien, die bereits in das Betdorf umgezogen waren, gebe es zwar einige, die vollends überzeugt seien, andere jedoch seien noch nicht bereit, das Alte hinter sich zu lassen. Manche seien innerlich gespalten und verträten beide Meinungen. Und wieder andere kämen aus Neugier, um zu sehen und zu hören, was vor sich ging, blieben jedoch, obwohl sie das Wort des einen Gottes im Himmel hörten, der Sünde und Finsternis verhaftet. »Sie sagen, ihre Zusammenkünfte und Gebräuche seien viel ansprechender und fruchtbarer als die unseren, bei denen wir nichts anderes täten als zu reden und zu beten, während sie tanzen und essen und sich gegenseitig beschenken. Bethia, ich versuche ihnen zu erklären, dass dies nur das Werk Satans, des großen Blenders, ist. Doch ich habe keine Worte in ihrer Sprache gefunden, die unseren englischen Begriffen wie Glaube, Buße, Gnade oder Heiligung entsprechen … Na ja, du wirst es bald selber sehen, wie es ist …«
Das Allererste, was mir an dem Dorf auffiel, war die friedliche Stille, die dort über allem lag. In Great Harbor herrscht an jedem Tag außer am Sabbat Lärm, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Immer ist irgendjemand gerade damit beschäftigt, ein Haus zu bauen oder ein bereits bestehendes zu erweitern, eine Schindel zu klopfen oder einen Nagel in die Wand zu schlagen. Beim Schmied dröhnt der Hammer auf dem Amboss, in den Walkmühlen werden Stoffe geknetet und gestaucht, und der Steinmetz bearbeitet seine Steine mit allerlei eisernen Werkzeugen. Von all dieser englischen Emsigkeit war hier nichts zu spüren.
Die squas waren in den Gärten und jäteten mit Hilfe von Hacken, die aus Muschelschalen gefertigt waren. Dabei gab es eigentlich nur wenig zu jäten, denn die Pflanzungen waren überaus klug angelegt: Bohnen kletterten an den Maisstängeln empor, und der Boden zwischen den Hügeln war so dicht mit Kürbisblättern bewachsen, dass für Unkraut nur wenig Platz blieb. Die Männer hielten sich in der Nähe der wetus auf, einige spielten Karten, andere lagen müßig auf ihren Matten. Ich sah, wie Vater bei ihrem Anblick die Stirn runzelte. Ich hatte ihn bereits öfters sagen hören, auf den Frauen liege eine zu große Last. Sie waren es, die den Boden pflügten, die Beeren und anderes Essbares suchten, die die Matten für die Unterkünfte und die Körbe zur Vorratshaltung flochten, die ihre Rücken unter den Holzbündeln für die Herdfeuer beugten. Die Männer
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