Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Feier zusammenkamen, hatte er das Gefühl, es sei besser, seiner Kleidung ebenfalls eine gewisse Förmlichkeit anhaften zu lassen, so wie er es auch bei einer Predigt in der Kirche oder unserem Versammlungshaus getan hätte. Zuerst betete er, wobei er unsere üblichen Gebetsformeln in ihre Sprache übertrug. Die Worte hatte ihm Iacoomis beigebracht, und er trug sie fehlerfrei und aus dem Gedächtnis vor. Als Nächstes kam seine Predigt.
»Meine Freunde, schenkt mir Gehör«, begann er. »Als wir die letzten Male hier zusammentrafen, haben wir uns auf zwei Wahrheiten geeinigt: erstens, dass es Gott gibt, und er all diejenigen belohnen wird, die mit Fleiß nach ihm suchen. Und zweitens, dass der eine Gott die Quelle allen manits ist. Mein Freund Iacoomis hat euch gezeigt, wie sein Herz zu Gott steht, und ihr habt gesehen, kaum hatte er jeglichem falschem Glauben abgeschworen, ging es ihm gut, und sowohl der Reichtum seiner Familie als auch ihre Gesundheit wurden gemehrt. Ihr werdet fragen, was mit euch geschieht, wenn ihr sterbt, und heute will ich euch eine Antwort auf diese Frage geben. Die Seelen der Engländer, aber auch eure und die der Menschen auf der ganzen Welt, gehen, wenn sie sterben, nicht etwa gen Südwesten, so wie man es euch gelehrt hat. Alle, die den einen Gott kennen, ihn lieben und fürchten, kommen in den Himmel und werden dort auf immer in Freude leben. In Gottes eigenem Haus. Die, die Gott nicht kennen, die ihn nicht lieben und fürchten – Lügner, Diebe, Müßiggänger, Mörder, Menschen, die des anderen Weib oder Mann begehren, Unterdrücker oder Schinder –, sie alle kommen in die Hölle, in die tiefe, tiefe Hölle. Und ihr Jammern wird in alle Ewigkeit andauern.«
Neben mir hatten zwei Männer begonnen, miteinander zu flüstern, weil sie dachten, ich könne sie nicht verstehen.
»Warum sollen wir unserem englischen Freund glauben, wenn unsere eigenen Väter uns gesagt haben, dass unsere Seelen in den Südwesten gehen, ins Land Kiehtans?«
»Na gut, aber hast du jemals eine Seele in den Südwesten gehen sehen? Ich nicht.«
»Nein, aber meinst du denn, er hat jemals eine in den Himmel aufsteigen oder in die Hölle hinabsinken sehen, hm?«
»Er sagt, das weiß er aus dem Buch, das Gott selber geschrieben hat.«
»Was er sagt, mag wohl für die Engländer gelten, doch warum sollte ich in dieses Haus Gottes hinaufwollen, wo doch nur Engländer dort hocken? Wenn Gott wollte, dass wir zu ihm nach Hause kommen, dann hätte er unseren Ahnen doch auch ein solches Buch geschickt.«
Während ich diesem Gespräch lauschte, wurde mir bewusst, dass meine Schwierigkeiten ganz ähnlich waren wie die meines Vaters, und dass ich einfach nur standhaft bleiben und darauf vertrauen musste, dass Gott mir die Worte eingab, die zu Caleb sprechen und ihn dazu bringen würden, dass er ihm sein Herz öffnete.
Etwa nach der Hälfte der Predigt meines Vaters bemerkte ich, dass die Leute auf einmal unruhig wurden und statt auf meinen Vater zu der Stelle schauten, wo die Lichtung endete und ein dichter Eichenwald begann. Ich folgte ihren Blicken, kniff die Augen gegen das Sonnenlicht zusammen. Und dann sah ich, was sie sahen: einen Mann, sehr groß, mit bemaltem Gesicht und einem großen Umhang aus Truthahnfedern. Er stand mucksmäuschenstill da, mit erhobenem Arm, und trug in der Hand eine Art Püppchen oder Männchen, genau konnte ich es nicht erkennen. Dann trat zwischen den Bäumen neben ihm ein weiterer Mann auf die Lichtung. Es war ein junger Mann, der ebenfalls bunt bemalt war.
Einige in der Menge wichen vor Vater zurück. Der Mann, der mit seinem Nachbarn über Kiehtan gesprochen hatte, stieß ihm den Ellbogen in die Seite. Ich hörte den Namen Tequamuck fallen. Ich zuckte zusammen, denn diesen Namen kannte ich: Calebs Onkel. Ich kniff die Augen noch stärker zusammen, um den Medizinmann und seinen Zögling besser zu erkennen. Doch ihre Gesichter waren so dick bemalt, dass ich nicht sagen konnte, ob sich meine Befürchtung bewahrheitete oder nicht. Jedenfalls versetzte die Anwesenheit der beiden Männer die Menge in Unruhe. Vater sagte schon lange, die pawaaws seien das stärkste Band, das die Indianer mit ihren alten Sitten und Gebräuchen verknüpfte, und dass es wesentlich wichtiger sei, deren spirituelle Kraft zu brechen, als der Macht und den Privilegien der sonquems Einhalt zu gebieten.
Der Mann, der Tequamucks Namen ausgesprochen hatte, ging als Erster, und schon bald waren ihm fünf oder sechs
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