Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
Vom Netzwerk:
half mit, das vergossene Bier aufzuwischen. Ich hörte Vater zu Momonequem sagen, er habe keine Medizin dabei, außer ein paar Salben und Bandagen, und dass er nicht glaube, bei einem so ernsten Fall behilflich sein zu können.
    Da konnte ich nicht mehr an mich halten. »Findest du nicht, du könntest dir den Mann wenigstens anschauen, Vater?«, sagte ich. »Ich bin mir sicher, die Merrys haben die Zutaten für einen Wickel da, falls einer benötigt wird. Und wenn alles nichts nützt, könntest du für ihn beten … Wenn ihm das hilft, könnte das doch, da die Medizinmänner versagt haben, unserer Missionsarbeit förderlich sein.«
    Vater antwortete: »Vielleicht kann ich …«, unterbrach sich dann und schaute mich befremdet an. »Bethia, wie kommt es, dass du …« Er blickte zu den Merrys auf und beschloss, dass es nicht an der Zeit war, die Angelegenheit weiter zu verfolgen.
    An Momonequem gewandt sagte er, er würde mit ihm kommen und tun, was in seiner Macht stünde. Ich verhielt mich so, als wäre es ganz natürlich, dass ich ihn begleitete, und fragte Sofia Merry, was sie in ihrem Kräuterschrank habe und für mich erübrigen könne. Obwohl ich mich bei meinem Vater verraten hatte, hielt ich es für das Beste, vor den Merrys nicht Wampanaontoaonk zu sprechen, und so bat ich Vater, die beiden Burschen nach den Symptomen zu fragen, die der kranke sonquem an den Tag legte. Sie sagten, er habe Fieber, einen roten Hautausschlag und einen quälenden Husten. Ich nahm deshalb Zwiebeln und Senfsamen, Weidenrinde sowie aus dem Garten ein paar breite Blätter Schwarzwurz und Pfefferminze mit.
    Momonequem und sein Freund Sacochanimo hatten jeweils ein mishoon dabei, das sie ans Ufer des Teiches hochgezogen hatten. Diese Kanus bestanden aus geflämmten und anschließend ausgehöhlten Baumstümpfen und waren breit genug, um Säcke mit Mais zur Mühle zu transportieren. Die beiden luden aus, trugen den Mais zur Mühle hoch und bedeuteten uns dann, wir sollten in den nun leeren Booten Platz nehmen. Vater setzte sich etwas unbeholfen in Momonequems Kanu und ich in das von Sacochanimo. Dann setzten sich die beiden Burschen hinter uns und begannen mit raschen Stößen über den großen Teich zu paddeln. Das Wasser war so flach, dass man das bunte Laub am Grund sehen konnte. Bronzefarben und purpurrot leuchteten die Blätter und bildeten ein reich verschlungenes Muster, wie der türkische Teppich, der bei meinem Großvater wärmend auf dem Fußboden lag. Die Burschen paddelten schnell, ohne sich besonders anzustrengen, und hatten die kurze Entfernung zwischen der Farm und ihrer Siedlung binnen kurzem zurückgelegt. Von meinem Kanu aus sah ich das Muskelspiel in den Armen von Momonequem, der mit Vater vorauspaddelte. Sein Paddel versank geräuschlos im Wasser und bildete feine Kräuselwellen, die sich wie kleine Pfeile in Richtung Ufer ausdehnten. Die Wasserschildkröten, die dort in der Nachmittagssonne gedöst hatten, ließen sich langsam ins Wasser gleiten, als wir näher kamen. Momonequem bog scharf um die Kurve und direkt in den Fluss, der den kleinen See speiste und dem wir nun durch hohes Gras hindurch in Richtung der Indianersiedlung folgten.
    Dort lagen zahlreiche mishoons am Ufer. Kaum waren wir ausgestiegen, hörten wir bereits die ersten Anzeichen des gottlosen Treibens, das im inneren Kreis der wetus vonstatten ging. Es war eine große Wintersiedlung, etwa fünf oder sechs Mal so groß wie unser Betdorf. Wir gingen den lauten Geräuschen nach.
    Man hatte den Kranken auf eine Matte gebettet und sein Gesicht komplett mit Kohle oder schwarzem Ton bemalt. Auf der Erde um ihn herum verteilt lagen alle möglichen Talismane aus Knochen oder Fell, Muscheln, Leder und getrockneten Pflanzen. Er war ein großer, kräftig gebauter Mann, doch während er in flachen, rasselnden Zügen Luft holte, waren deutlich seine Rippen zu sehen, die aus seinem Brustkorb hervorstachen. Der pawaaw , der sich während der Predigt meines Vaters vor den betenden Indianern am Waldrand gezeigt hatte, war mit hektischen Verrichtungen beschäftigt. Er schrie, sprang auf und nieder, schlug mit dem Fuß auf den Boden und schüttelte dann mit wilden Gesten seine Kürbisrasseln in Richtung Himmel. Schaum stand ihm vor den Lippen wie bei einem Pferd, das zu hart geritten wird, und löste sich in kleinen Bläschen, als er sprang und herumwirbelte und sich schließlich auf die liegende Gestalt stürzte und dabei mit verzerrter Miene so tat, als wollte er sie

Weitere Kostenlose Bücher