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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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worden waren, um mehr Licht an die angepflanzten Feldfrüchte zu lassen. Die von ihrer Rinde befreiten Bäume boten einen trostlosen Anblick, doch da Ochsen oder andere Zugtiere, mit denen man Baumstümpfe fortschaffen konnte, bei uns Mangelware sind, gab es keine bessere Möglichkeit, um Ackerland zu schaffen. Merry hatte schon früh geerntet, und zahlreiche Maisbündel standen herum, groß und sorgfältig gebunden. Als wir uns näherten, sahen wir drei Männer – Jacob, Noah und dessen älteren Bruder Josiah –, die sich damit abmühten, aus Granitsteinen, die sie beim Pflügen aus der Erde geholt hatten, eine Mauer zu errichten. Als sie uns sahen, hörten sie sogleich damit auf und kamen fröhlich grüßend auf uns zu.
    Ich hatte Noah schon mehr als zwei Jahre nicht mehr gesehen, seit die Familie aus Great Harbor weggezogen war. Aufgrund dessen, was man in meiner Familie über ihn gesagt hatte, wurde ich verlegen, als er mich begrüßte. Doch ich fühlte mich auch bemüßigt, ihn mehr zu beachten, als ich es sonst getan hätte, und beobachtete ihn verstohlen, als wir zum Haus gingen (das in der Tat sehr schön war – mit Sicherheit das schönste Haus auf der ganzen Insel – und sich über zwei ganze Stockwerke und einen Dachboden erstreckte). Noah, sein Vater und sein Bruder zogen ihre schmutzigen Gehröcke aus und hängten sie an eine Hakenleiste. Wir setzten uns in einem großen, sonnigen Raum mit nicht weniger als vier Bleiglasfenstern und, jawohl, einer Holzvertäfelung zu Tisch.
    Ich befand, dass Noahs Name Merry – Fröhlich – gut zu ihm passte. Er lachte gern und hatte einen vollen blonden Lockenschopf, den er etwas zu lang trug und deshalb ständig aus dem Gesicht werfen musste, wenn er sprach. Diese Angewohnheit spiegelte die ruhelose Lebendigkeit wider, die er als Mensch ausstrahlte, und als er sich ein Stück von dem ausgezeichneten Mohnkuchen nahm, den seine junge Stiefmutter gebacken hatte, wurde sein munteres Geplauder dadurch ebenso wenig unterbrochen wie das Plätschern des Baches, der direkt vor den Fenstern schimmernd und gluckernd vorbeifloss.
    Wir saßen immer noch bei Tisch, als plötzlich zwei junge Wampanoag vor der Tür standen. Jacob Merry erhob sich, hieß sie willkommen und bot ihnen zu meiner großen Überraschung – denn ich hatte gedacht, wir seien die einzige englische Familie, die dergleichen tat – einen Platz am Tisch an, wo Sofia Merry ihnen sogleich Kuchen auf die Teller häufte und jedem einen Krug mit leichtem Bier einschenkte.
    Als Teil der Vereinbarung, die bezüglich des Ackerlandes getroffen worden war, konnten die Indianer ihren Mais kostenlos in der Mühle mahlen und einige junge Leute als Lehrlinge dort ausbilden lassen. Merry erklärte, die beiden Burschen seien von ihrem sonquem dazu auserkoren worden, dieses Handwerk zu lernen, »und sie stellen sich recht gut an«, meinte er. Vater nickte zustimmend, als er das hörte. »Eine kluge Entscheidung. Genau so sollten wir weitermachen, während die Siedlung immer mehr über Great Harbor hinauswächst. Wenn die Indianer einen Nutzen daraus ziehen, dass wir hier sind, dann wird unsere Gemeinschaft mit ihnen blühen und gedeihen.« Dann versuchte er, die beiden Burschen, die ein wenig schüchtern waren, in ihrer eigenen Sprache ins Gespräch zu ziehen. Ich lauschte den Schilderungen ihrer Herkunft und der des Dorfes mit halbem Ohr, tat dabei aber so, als sei ich gänzlich in das Gespräch mit Sofia Merry und ihren beiden Stiefsöhnen vertieft.
    Auch ich hatte ein Krüglein vor mir stehen, das von der Kälte des Biers ganz beschlagen war, und hob es gerade an meine Lippen, als einer der jungen Männer, dessen Name Momonequem lautete, Vater fragte, ob er zufällig englische Medizin bei sich habe, denn in ihrer Siedlung sei ein Mann erkrankt.
    »Er ist keiner von uns. Er heißt Nahnoso, ist der sonquem von Nobnocket und war zu einem Gespräch mit unserem sonquem hier. Wir fürchten, wenn es ihm schlechter geht, werden seine Leute sagen, unser pawaaw habe ihn verzaubert. Unser pawaaw hat versucht, ihn zu heilen, und als es ihm nicht gelang, hat er nach Nahnosos Medizinmann Tequamuck geschickt, den wir für den Mächtigsten unter allen pawaaws halten. Doch trotz allem Tanzen und Singen ist es ihm nicht gelungen, die Krankheit aus seinem Körper zu vertreiben.« In diesem Moment glitt mir der feuchte Bierkrug aus der Hand, zerbrach klirrend, und sein ganzer Inhalt ergoss sich auf dem Boden.
    Aufgeregt sprang ich auf und

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