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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraldine Brooks
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ich an diese Frau. Nun hatte auch ich auf meiner Suche nach fremden Göttern meine Antwort erhalten. Doch statt mich zu bedrücken, verschaffte mir dieser Gedanke bemerkenswerterweise eher ein seltsames Gefühl der Leichtigkeit, so wie es vermutlich jedem ergeht, der zu einer Gewissheit gelangt, ganz gleich, wie bitter sie ist. Damals wusste ich nicht, dass Gott nicht bis zum Leben nach dem Tode warten würde, sondern wie ein rächender Blitz in meine Welt hinabfahren würde, um mich für meine Sünde zu bestrafen.

X
    Über eine Stunde lang wartete ich auf Vater, während er Nahnoso behandelte. Krämpfe zuckten durch meine Eingeweide, und mein Kopf dröhnte. Unter dem Vorwand, für meinen Vater tätig zu sein, löste ich etwas Weidenrinde in Wasser auf und trank die Flüssigkeit in der Hoffnung, meinen Kopfschmerz zu lindern. Doch es war die Scham, die mich krank machte, und dagegen gab es keinen heilsamen Trank. Schließlich ließ mein Vater mir ausrichten, ich solle ein paar Zwiebeln für einen Brustwickel zubereiten, und als er aus dem wetu trat, fragte ich ihn, ob denn Weidentee das Fieber abklingen lassen könne.
    »Offensichtlich haben sie das bereits versucht, zusammen mit einigen anderen Hexenmitteln, die jener Mann dort verschrieben hat.« Er neigte den Kopf in Richtung Tequamuck, der immer noch mit geschlossenen Augen dalag. Man hatte ihm einen Lederumhang übergeworfen, und er atmete tief und regelmäßig, wie jemand, der schläft. Zu meinem Schrecken merkte ich, dass ich das Trinkgefäß nicht wieder an seine Seite zurückgestellt, sondern dort im Dickicht vergessen hatte. Doch das ließ sich nun nicht mehr ändern, jetzt konnte ich es schlecht zurückholen. Vater sprach mit mir, und ich bemühte mich, seinen Worten zu folgen. »Ich schlage vor, ihn zur Ader zu lassen. Du kannst die Schüssel halten, wenn du möchtest.«
    Ich folgte Vater in den wetu zurück, wo der kranke sonquem lag. Sein Sohn stand an seiner Seite, umgeben von den angesehensten Männern des Dorfes. »Was habt ihr als Lanzette?«, fragte Vater. Einer der Männer drehte eine Hand um und zeigte ihm eine Pfeilspitze, die darin lag. Vater nahm sie. Der Arm des Mannes war an der Stelle, wo Vater die Vene öffnen wollte, mit Waschbärenfett eingerieben und rabenschwarz. Um die Vene besser sehen zu können, wusch ich ihn ab und rieb die Stelle mit zerdrückter Minze ein. Dann drückte Vater den zugespitzten Stein ins Fleisch. Ich hielt die Schüssel in meinen zitternden Händen und versuchte, mich den Gebeten hinzugeben, die mein Vater sprach. Als Vater glaubte, genug Blut abgenommen zu haben, drückte ich heilende Schwarzwurz auf die Wunde und band sie mit einem Lederriemen ab, den mir jemand reichte.
    Während die Zwiebeln brieten, zerrieb ich Senfsamen zu einer Paste, um die Hitze in dem Wickel zu erhöhen. Nahnosos Atem ging rasselnd, als Vater ihm den Wickel umlegte. Die Zeit kroch dahin, im schleppenden Takt jenes gequälten Ein- und Ausatmens. Irgendwann glaubte ich zu sehen, dass der Mann eine andere Farbe annahm, doch mittlerweile war es so dunkel im wetu, dass meine Augen mir möglicherweise einen Streich spielten. Aber nach einer Weile gab es keinen Zweifel mehr: Sein gequälter Atem beruhigte sich. Es verging eine Stunde, dann, o Wunder!, öffnete er die Augen und schaute sich um, fragte, wo er sich befinde, und, mit einiger Erregung, wer wir seien. Sein Sohn Nanaakomin stieß einen lauten Freudenschrei aus und umarmte seinen Vater. Ich erschrak, als er schrie, so sehr ähnelte seine Stimme der von Caleb.
    Nun ergriff der sonquem der Takemmy das Wort und erzählte ihm alles, was seit seiner Erkrankung geschehen war: dass es seinem eigenen pawaaw nicht gelungen sei, ihn zu heilen; wie er nach Tequamuck geschickt habe und jener Mann sich tagelang, aber vergeblich bemüht hatte. Schließlich zeigte er auf meinen Vater und beschrieb den Hitzezauber (den Wickel also) sowie den Blutzauber, die ihn, gepaart mit verschiedenen, an den englischen Gott gerichteten Zaubersprüchen schließlich von der Schwelle des Todes zurückgerissen hatten.
    »Manitu!«, hauchte Nahnoso und ließ sich auf seine Matte zurückfallen. Vater wandte sich an mich und sagte auf Englisch: »Ich würde gerne hierbleiben und mich weiter um ihn kümmern, aber ich möchte nicht, dass du die Nacht an diesem Ort verbringst.«
    »Warum nicht, Vater?«
    »Weil es hier keine Hütte gibt, in der du ohne das Risiko, Zeugin einer Unschicklichkeit zu werden, dein Haupt betten

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