Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
schluckte die trügerische Antwort, die mir schon auf der Zunge gelegen hatte, herunter. »Ja«, sagte ich. »Obwohl es eine äußerst schwierige Sprache ist.«
»Oh, ich weiß! Ich kann mir kaum mehr als zwei oder drei Wörter merken – Auswendiglernen war nie meine Sache. Vater kommt besser damit zurecht, aber auch für ihn ist es ein Kampf. Wie wundervoll, dass du dich mit ihnen unterhalten kannst! Es wäre großartig, wenn jemand in unserem Haushalt so leicht mit ihnen sprechen könnte – wir könnten so viel tun, wenn wir einander besser verstünden!«
Nun war ich an der Reihe mit dem Erröten. Hatte er gerade eben andeuten wollen, dass er mich schon jetzt als mögliches Mitglied des Haushalts betrachtete? Oder hatte ich bereits bei einer unschuldigen Bemerkung Hintergedanken, nur weil ich etwas wusste, was ich nicht wissen sollte? Entweder war er zu forsch, oder ich war überempfindlich. Doch hätte Vater mich nicht bereits voll ins Bild gesetzt, was seine Pläne mit mir und den Merrys anbelangte … Bei dem Gedanken spürte ich, wie die Glut des Zorns in mir aufflammte und plötzlich lichterloh brannte.
»Sollen wir umdrehen?«, fragte ich. »Ich möchte wieder zurück.«
Als wir zum Haus zurückgingen, hielt ich meinen Blick gesenkt, um nicht die flach stehende Herbstsonne zu sehen, die sich in dem vielen Glas am Haus der Merrys in Tausenden von Sternchen brach.
Vater kehrte um die Mittagszeit zurück, und schon kurz darauf machten wir uns auf den Heimweg, um vor Einbruch der Dunkelheit in Great Harbor zu sein. Obwohl Vater sich bemühte, eine ernste Miene aufzusetzen, spürte ich deutlich, dass er vor Freude schier platzte. Nahnosos Zustand hatte sich gewaltig gebessert, und da er dies als Zeichen für die Macht des englischen Gottes betrachtete, hatte er darum gebeten, in den Lehren des einen wahren Gottes und seines Sohnes Jesus Christus unterwiesen zu werden. »Einen sonquem zu bekehren, Bethia … das wird ein Wendepunkt für die Mission, das weiß ich. Und noch dazu ein sonquem , der diesem Scharlatan, Tequamuck, so eng verbunden ist … Jemanden wie ihn zu übertrumpfen … wenn wir doch seine Macht über die Menschen brechen könnten … Christus hat hier einen großen Sieg errungen, Tochter. Einen großen Sieg. Nahnoso war damit einverstanden, Iacoomis zu empfangen und von ihm Unterweisung im Evangelium zu bekommen. Wenn er wieder gesund ist, wird er seine Familie zu unserer sonntäglichen Zusammenkunft in Manitouwatootan bringen und mich predigen hören.«
Seine Familie. Dazu gehörte doch ganz gewiss auch Caleb, sein Sohn. Was würde der Sinneswandel seines Vaters für ihn bedeuten? Würde der Vater ihm ein Ende seiner heidnischen Heilssuche anordnen? So sehr ich mich auch als Gefallene betrachtete und mit meiner von Sünden befleckten Seele haderte, betete ich zu Gott, er möge Satan so lange von Caleb fernhalten, bis sein Vater ihn aus der Wildnis holen konnte.
Was meine Familie anging, so stand uns bei unserer Heimkehr ein Abend ungewohnten Frohlockens bevor. Vater genoss seinen Triumph, und ich hatte Mutter nie strahlender gesehen als an jenem Abend, als sie bei seinen Schilderungen an seinen Lippen hing. Dass sie gesegneten Leibes war, konnte man mittlerweile deutlich sehen, und sie war merklich aufgeblüht. Nicht lange darauf hörte ich sie vertraulich zu Goody Branch sagen, sie habe sich noch in keiner Schwangerschaft so leichten Herzens gefühlt wie mit dem Kind, das unsere Solace werden sollte – und ihr Verderben. Vielleicht war ja die Freude, die sie in jenen letzten Monaten ihres Lebens empfand, ein Stäubchen von Gottes Gnade, die er ihr gewährte, während er bereits in ihr das Werkzeug seiner Strafe für mich schmiedete.
XI
Es ist spät. Genauer gesagt ist es bereits nach Mitternacht, und der Tag des Herrn ist angebrochen. Und wieder einmal sündige ich, denn ich breche die Sabbatruhe, indem ich diese Worte niederschreibe. Morgen um diese Zeit wird Caleb in dem Zimmer unter mir schlafen.
Ich bin hundemüde, weil ich in diesen Tagen früh aufgestanden und zu lange auf gewesen bin, um diese Seiten zu schreiben. Noch habe ich nicht alles niedergelegt, was ich wollte, doch einen großen Teil dieses Berichts über meine Sünden habe ich mir bereits von der Seele geschrieben. Die Augen fallen mir zu, und so will ich nur noch kurz schildern, wie es zu den gegenwärtigen Umständen gekommen ist.
Ich war nicht Augenzeugin dessen, was folgt, sondern musste alles aus dem
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