Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
könntest. Ich werde Momonequem bitten, uns zu den Merrys zu bringen, und dann mit ihm hierher zurückkehren.«
»Du musst mich nicht begleiten, Vater. Ich kann durchaus alleine mit Momonequem fahren.«
»Kommt nicht in Frage. Selbst wenn der Bursche ehrenhaft ist, woran ich keinen Grund habe zu zweifeln, möchte ich auf gar keinen Fall deinen Ruf aufs Spiel setzen. Was würden denn die Merrys denken? Du, alleine in einem Boot mit … nein, das ist undenkbar …«
Ich dachte an all die Stunden, die ich mit Caleb allein verbracht hatte. Unschuldige Stunden, die mich dennoch in den Augen meines Vaters – und unserer Gesellschaft – zur Hure gemacht hätten. Es war nur gut, dass niemand davon wusste.
Wir paddelten bei Dämmerlicht zur Farm der Merrys zurück. Jacob Merry bestand darauf, mir sein Bett zu überlassen, weshalb ich mich zusammen mit Sofia zur Ruhe begab. Ihr Federbett war zweimal so breit und viel luftiger als meine mit Lumpen und Stroh gefüllte Matratze. Obwohl ich bald eingeschlafen war, wurde ich mehrmals durch grässliche Träume aus dem Schlaf gerissen und musste des Öfteren während der Nacht meine Notdurft verrichten. Als Sofia mich fragte, was mich denn quäle, gab ich dem Maisbrei, den ich aus dem Gemeinschaftstopf im wetu gegessen hatte, die Schuld für meine Verdauungsstörungen.
Am Morgen stand ich, noch müde, auf und ging Sofia bei ihren Aufgaben im Haushalt zur Hand, ehe die Männer zum Frühstück hereinkamen. Ich spürte, wie Jacob Merrys Augen auf mir ruhten, als ich Sofia beim Servieren von Apfelwein sowie knusprigen Brotscheiben mit frischer Butter half. Dabei versuchte ich, mir das Zittern meiner Hände nicht anmerken zu lassen.
»Noah, da Mistress Mayfield noch einige Stunden gezwungen ist hier zu verweilen, möchte sie sich vielleicht gerne die Farm anschauen. Warum zeigst du sie ihr nicht?«
»Das übernehme ich«, sagte Josiah strahlend.
»Nicht du, Josiah, dich kann ich nicht entbehren. Ich brauche deine Hilfe in der Mühle …«
»Aber wir mahlen doch schon …«
Jacob schob lautstark seinen Stuhl zurück und schaute seinen ältesten Sohn bestimmt an.
»Ich sage dir, ich brauche dich.«
»Na gut, Vater.« Während Josiah gehorsam vom Tisch aufstand, sah ich, wie er seinem Bruder zuzwinkerte und ihn leicht in den Arm knuffte. Noah wurde rot.
Mochte ihm das auch peinlich gewesen sein, so schüttelte er diese Verlegenheit, während wir über die Felder liefen, doch ebenso schnell wieder ab. Ich versuchte, ihm zuzuhören, war aber immer noch so sehr mit den Aufregungen des vergangenen Tages beschäftigt, dass meine Gedanken sich zerstreuten wie Spreu, in die ein Windstoß gefahren ist. Noahs Begeisterung für den Ackerbau war deutlich zu spüren. Hätte ich sie geteilt, um wie viel leichter wäre mein Leben gewesen! Ich ließ seine Ausführungen über die Futterqualitäten von Wicken und Wiesenlieschgras an mir vorüberziehen, brachte an den mir passend scheinenden Stellen lautstark meine Bewunderung für die bemerkenswerte Anzahl von Zwillingswürfen beim letzten Lammen seiner Schafe zum Ausdruck und nickte wissend, als er mir seine Pläne für mehrere Gemüsegärten, eine Molkerei und alle möglichen anderen Verbesserungen auseinandersetzte. »Josiahs Interessen liegen bei der Mühle, und die Weiterentwicklung dieses Unternehmens wird sein Hauptanliegen sein. Ich kümmere mich um die Farm. Irgendwann hoffen Vater und ich die Mittel für eine Erweiterung zu haben, falls uns der sonquem mehr Land verkauft. Jene Wälder dort drüben zum Beispiel scheinen auf fruchtbarem Boden zu wachsen und ließen sich ganz leicht roden. Es wäre doch dumm, sie brachliegen zu lassen …«
Während er so dahinplapperte, war ich in Gedanken immer noch bei Nahnoso. Ich fragte mich, wie es ihm ging, jetzt, wo sein Schicksal und das von Vater so eng verknüpft waren. Doch plötzlich unterbrach sich Noah und wandte sich mir mit eifrigem Blick zu. »Gestern schien es mir, als verstündest du die Sprache der Indianer, als wir bei uns bei Tisch saßen. Stimmt das wirklich?«
»Nun, ich …« Ich blickte in Noahs offenes Gesicht. Seine blassblauen Augen schauten mich neugierig an. War dieser junge Mann tatsächlich dazu ausersehen, eines Tages mein Bräutigam zu werden? In meinem Herzen empfand ich fast gar nichts für ihn, doch wenn es so bestimmt war, dann durfte ich ihn jetzt nicht anlügen. Was wäre das für eine Art von Ehe, die auf einem Fundament der Lüge aufgebaut würde? Ich
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