Inselglück
wäre, wären Mutter und Kind beide gestorben. Aber ich war im Washington Hospital Center. Und die bekamen das gut hin; sie machten einen Kaiserschnitt, holten Ashlyn raus und stoppten meine inneren Blutungen.«
»Mein Gott, Connie«, sagte Dan. Er drückte ihre Hand, und Connie verspürte ein Aufwallen reiner Ekstase, dann tadelte sie sich dafür, dass sie diese Schauergeschichte benutzt hatte, um Mitgefühl zu wecken. Doch sie stimmte. Connie hatte sie durchgemacht; sie hatte überlebt.
»Ich war überzeugt davon, dass die Komplikationen eine Strafe für mich waren.«
»Strafe wofür?«, fragte Dan. »Du hast die Schwangerschaft ja nicht abgebrochen.«
»Ich weiß nicht … Strafe vielleicht für alle meine Verfehlungen. Dafür, dass ich den Abbruch wollte.«
»Ach komm, das glaubst du doch selber nicht«, sagte Dan.
»Damals habe ich es geglaubt. Ashlyn und ich hatten von Anfang an eine schwierige Beziehung. Seit ihrer Geburt. Seit ihrer Zeugung.«
Dan lachte. »Du bist genauso verrückt wie ich.«
»Ich weiß.«
Aber auch wenn Connie und Ashlyn gut miteinander ausgekommen waren, hatte Connie stets darauf gewartet, dass etwas Negatives passierte. Und es passierte auch immer: Ashlyn sagte etwas Verletzendes, Grausames, Abfälliges. Wenn sie unglücklich war, gab sie Connie die Schuld, und Connie nahm sie auf sich. Sie würde sich ihr Leben lang schuldig fühlen, weil sie Ashlyn ursprünglich nicht gewollt hatte.
»Wolf vergötterte Ashlyn«, sagte Connie. »Sie war sein Herzensschatz und ganzer Stolz. Und er konnte in ihren Augen nichts falsch machen.«
»Klingt irgendwie vertraut«, meinte Dan. »Unsere Kinder hingen mehr an unseren Partnern als an uns. Aber das heißt nicht, dass wir versagt haben, Connie.«
Doch Connie hatte versagt. Sie hatte immer hundert Prozent gegeben, manchmal jedoch widerwillig. Ashlyn war ein erstaunliches, hochintelligentes Kind gewesen, emotional aber aus Granit. Das war heute noch so.
Connie beschloss, an diesem Punkt aufzuhören; sie mochte nicht weitererzählen. Doch Dan war neugierig. »Und warum das Zerwürfnis?«, fragte er. »Was ist vorgefallen?«
»Mmm.«
Connie wollte ihm nicht sagen, was vorgefallen war.
Aber dies war ihre Chance, sich auszusprechen. Also fing Connie mit den einfachen Dingen an: Ashlyn in der Highschool, im College, als Medizinstudentin. Ashlyn hatte sich in jeder Hinsicht hervorgetan. Sie waren eine glückliche Familie gewesen. Sogar als bei Wolf Prostatakrebs diagnostiziert wurde, bildeten sie noch eine Einheit. Doch dann kam Ashlyns Besuch mit Bridget. Die Enthüllung ihrer sexuellen Orientierung fiel mit der Entdeckung von Wolfs Gehirntumor zusammen. Wegen seiner Aufträge lehnte Wolf eine Therapie ab; Ashlyn sah darin eine Ablehnug ihrer Person. Sie hätte auf Wolf wütend sein müssen, aber sie richtete ihre Wut gegen Connie, natürlich, denn Connie war diejenige, die weiterlebte.
»Und dann, bei der Beerdigung … «, sagte Connie und schloss die Augen. Sollte sie Dan erzählen, was damals geschehen war? Sie atmete die dunstige, nach Sumpf riechende Luft tief ein. »Ich war so wohlwollend, wie ich konnte, was Ashlyns Beziehung zu Bridget betraf. Na ja, glücklich war ich nicht darüber, nur glücklich, weil Ashlyn glücklich war, weil sie jemanden hatte, weil sie nicht allein war.«
Trotzdem, dachte Connie, hätte sie besser vortäuschen müssen, wie glücklich sie war. Ashlyn und Bridget hatten in der ersten Reihe der Saint Barnabas Episcopal Church nebeneinandergesessen und Händchen gehalten. Und das hatte Connie gestört. Wolf war tot, und sie befand sich in der schlechtesten emotionalen Verfassung ihres Lebens. Die Kirche war angefüllt mit allen, die sie kannte, und mit vielen, vielen Menschen, die sie nicht kannte, und ihre Tochter hielt in der ersten Reihe Händchen mit einer Frau. Connie funkelte Ashlyn ebenso an, wie ihr eigener Vater sie angefunkelt hatte, als sie mit der Hand in der Gesäßtasche von Drew Van Dykes Levis durch das Einkaufszentrum von King of Prussia gelaufen war. Am liebsten hätte sie sich zu ihr gebeugt und geflüstert: Nicht in aller Öffentlichkeit! Reverend Joel sieht dich. Deine Großtante Bette sieht dich. Aber im Gegensatz zu ihrem Vater, der womöglich eine Szene gemacht hätte, schwieg Connie und war deshalb stolz auf sich.
Während des Empfangs in Jakes und Iris’ Haus in Silver Springs verdrückten sich Ashlyn und Bridget. Connie bemerkte, dass sie den Raum verließen, immer noch
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