Inselglück
Mitternacht und vier Uhr morgens gedreht. Vor Mitternacht war der Beamte gerufen worden, um am Strand eine Party alkoholisierter Minderjähriger aufzulösen, und nach vier hatte er einen häuslichen Streit drüben in Madaket schlichten müssen. Der Vandalismus war also entweder verübt worden, während Connie und Meredith sich in der Stadt vergnügt hatten, oder am frühen Morgen.
Für Meredith spielte das keine Rolle; sie hatte Angst. Aufgeschlitzte Reifen: Das erschien ihr so gewalttätig. Als sie den Chief fragte, welches Werkzeug wohl dazu benutzt worden war, sagte er: »In diesem Fall sieht es nach einem Jagdmesser aus.« Und dann war da noch der Zettel. Hau ab, du Dibin. Die Aufforderung war in Blockbuchstaben geschrieben und unmöglich als männlich oder weiblich zu identifizieren. (Meredith hatte die Schrift heimlich mit der auf der Rückseite von Dans Visitenkarte verglichen. Sie mochte Dan, und anscheinend mochte er sie auch, doch in einer Welt, die, wie sie inzwischen wusste, allerlei Dunkles enthielt, fragte sie sich, ob Dan sich womöglich an Connie heranmachte, um ihr, Meredith, zu schaden. Zum Glück war die Handschrift eine andere.) Hau ab, du Dibin. Der einzige Hinweis, den sie hatten, war die falsche Rechtschreibung.
Dan kam und wechselte alle vier Reifen. Seine Arbeit war gratis, aber Meredith bot an, die Reifen zu bezahlen, die sechshundert Dollar gekostet hatten, und weil sie schon dabei war, rundete sie mit vierhundert Dollar für die Hausreinigung auf tausend auf, die sie Connie mit zitternder Hand hinhielt.
Connie schaute auf das Geld und sagte: »Steck das weg.«
»Bitte, Connie. Du musst mich bezahlen lassen.«
»Wir sind beide betroffen.« Und dann gestand Connie, dass Dan sie beim Reifenwechseln für Donnerstag auf sein Boot eingeladen hatte. Sie wollten ein bisschen im Hafen kreuzen und nach den Hummerfallen sehen. »Und du kommst mit.«
»Nein«, sagte Meredith ausdruckslos. »Auf keinen Fall.«
»Du musst«, entgegnete Connie.
»Der Mann will dich für sich«, widersprach Meredith. »Gestern Abend, schön und gut, aber ich will nicht, dass wir den ganzen Sommer zu dritt verbringen.«
»Na ja, ich kann dich nicht allein hierlassen. Nicht nach dem, was heute Morgen passiert ist.«
»Ich bin ein großes Mädchen. Ich komme zurecht.«
Connie grinste. Es war erstaunlich, was ein bisschen Romantik bei einem Menschen bewirkte. Connies Reifen waren mit einem Jagdmesser zerschnitten worden, und trotzdem schwebte sie regelrecht. Wenn sie noch ein weiteres Mal versucht hätte, Meredith zu überreden, hätte Meredith zugestimmt. Der Gedanke an eine Bootsfahrt gefiel ihr – draußen auf dem Wasser würde sie niemandem begegnen, den sie kannte. Und sie hatte Angst, allein zu Hause zu bleiben. Sie würde den Tag hinter verschlossenen Türen verbringen und sich in ihrem Kleiderschrank verkriechen.
Aber Connie insistierte nicht, und Meredith nahm an, dass sie bereit war, sich allein mit Dan zu treffen. Genau in diesem Moment klingelte das Telefon, und Meredith schreckte zusammen. Connie rannte an den Apparat – vielleicht dachte sie, es war Dan oder die Polizei mit einem Verdächtigen. Ein paar Sekunden später sagte sie: »Meredith? Es ist für dich.«
Leo!, dachte Meredith. Carver! Doch dann schalt sie sich. Sie musste damit aufhören. Es war die Hoffnung, die sie letztlich zu Fall bringen würde.
»Wer ist es?«, fragte sie.
»Irgendein Fünfzehnjähriger, der behauptet, dein Anwalt zu sein«, sagte Connie.
Meredith griff nach dem Telefon. Nervosität überkam sie. Gute Nachrichten? Schlechte Nachrichten? Schlechte, befand sie. Es waren immer schlechte Nachrichten.
»Meredith?«, sagte eine Stimme. Es war Dev. Meredith sah sein struppiges schwarzes Haar vor sich, seine Vampirzähne, seine randlose Brille. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie dieselbe Art Brille trug wie er. Ihm stand sie viel besser.
»Dev?«
»Hey.« Sein Tonfall war sanft, fast zärtlich. »Wie geht’s?«
»Oh«, sagte sie. Einen Moment lang glaubte sie, Dev hätte von den aufgeschlitzten Reifen gehört und rief an, um ihr seinen juristischen Beistand anzubieten – aber das war unmöglich. »So lala.«
»Burt und ich hatten ein Treffen mit den FBI -Leuten«, berichtete Dev. »Sie sind inzwischen überzeugt davon, dass irgendwo im Ausland über zehn Milliarden Dollar gebunkert sind. Freddy redet immer noch nicht. Die Beamten sind bereit, von einer Anklage wegen Mittäterschaft gegen Sie und eventuell auch
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