Inselglück
gegen Leo abzusehen, wenn Sie kooperieren.«
Meredith ließ sich auf einen der Esszimmerstühle sinken. Von dort aus konnte sie das Blau des Ozeans sehen. Es war ein dunkles Blau, ganz anders als das türkisfarbene Meer bei Palm Beach oder das Azur am Cap d’Antibes. »Kooperieren?«, fragte sie und seufzte. »Ich habe Ihnen doch schon alles erzählt.«
»Ich brauche Ideen dazu, wo das Geld sein könnte.«
»Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt«, sagte Meredith und holte tief Luft. »Ich weiß es nicht.«
»Meredith.«
»Ich weiß es nicht!«, wiederholte sie. Sie stand auf und trat ans Fenster. »Sie waren sehr nett zu mir in New York. Und das habe ich Ihnen damit vergolten, dass ich ehrlich war. Ich habe den Beamten die Wahrheit gesagt. Jetzt versuchen sie, mich mit Freiheit zu bestechen, und, was noch schlimmer ist, mit der Freiheit meines Sohnes, aber wir beide verdienen sie sowieso, weil ich absolut keine Ahnung hatte, was da ablief. Und Sie wissen und ich weiß und Julie Schwarz weiß, dass dasselbe für Leo gilt. Ich war in keins von Freddys Geschäften eingeweiht. Die haben mich nicht interessiert. Ich bin kein Zahlenmensch. Ich habe amerikanische Literatur studiert und Hemingway und Frost gelesen, okay? Ich habe meine Doktorarbeit über Edith Wharton geschrieben. Ich kann Ihnen bis ins letzte Detail die Rolle der Außenseiterin in Zeit der Unschuld erklären, aber ich weiß nicht, was ein Derivat ist. Ich weiß nicht einmal genau, was ein Hedgefonds ist.«
»Meredith.«
»Ich habe keine Ahnung, wo Freddy das Geld gebunkert hat.« Meredith bemühte sich, nicht zu schreien, um Connie nicht zu alarmieren. »Es gab ein Büro in London. Haben Sie das überprüft?«
»Das nimmt das FBI unter die Lupe.«
»Ich bin kein einziges Mal in dem Londoner Büro gewesen. Ich kannte absolut niemanden, der da arbeitete. Und das waren doch die Bösen, oder?«
»Jedenfalls gehörten sie zu den Bösen«, bestätigte Dev.
»Ich kennen nicht mal ihre Namen«, beteuerte Meredith. »Sie sind mir nie vorgestellt worden. Ich würde sie nicht erkennen, wenn sie vor mir stünden. Freddy und ich waren dreimal zusammen in London. Beim ersten Mal waren wir noch auf dem College und als Rucksacktouristen da. Die anderen beiden Male hat Freddy das Büro aufgesucht, und wissen Sie, wo ich war? Ich war in der Tate Gallery, um mir die Turners und die Constables anzusehen, und ich war in der verdammten Westminster Abbey!«
»Wonach die Beamten suchen, sind Codewörter«, sagte Dev. »Bestimmte Ausdrücke. Namen vielleicht. Wendungen, die Freddy wiederholt benutzt hat, obwohl sie nicht unbedingt einen Sinn ergeben. Wissen Sie, was es mit dem Wort ›Dial‹ auf sich hat?«
Meredith lachte kurz auf. »So hieß Freds Eating Club in Princeton.«
»Wirklich?« Dev klang, als habe er in seinem Sieb ein Goldnugget entdeckt.
»Wirklich«, bestätigte Meredith. Freddy war im Dial Herrscher über den Billardtisch gewesen und hatte sie als unfehlbarer Spieler beeindruckt. Oft betranken sie sich und fielen spätabends in die Küche des Dial ein, wo Freddy seine Spezialität zauberte: paniertes Hähnchenschnitzel mit einer Tomatenscheibe und Salatdressing. Nichts, was Meredith vorher oder nachher gegessen hatte, hatte je besser geschmeckt. Damals hatte Freddy sich noch gehen lassen – zu viel getrunken, zu lange gefeiert. Er war mit der unglaublichen Attraktivität vieler Iren gesegnet gewesen, schwarze Haare, klare blaue Augen. Meredith erinnerte sich, dass sie ihn gefragt hatte, ob er seinem Vater oder seiner Mutter ähnlich sei. Wie meine Mutter sehe ich nicht aus, hatte er gesagt. Und meinen Vater habe ich nie kennen gelernt, das weiß ich also nicht. Was Delinn überhaupt für ein Name sei, wollte Meredith wissen. Er klinge französisch. Es ist ein französischer Name, sagte Freddy. Aber meine Mutter hat immer behauptet, mein alter Herr war Ire. Ich bin nicht so aufgewachsen wie du, Meredith. Ich habe keinen Stammbaum. Tu einfach so, als sei ich aus einem Ei geschlüpft.
»Was ist mit dem Wort ›Buttons‹«, fragte Dev.
»So hieß unser Hund«, entgegnete Meredith. Buttons war ein Geschenk für die Jungen gewesen, als sie acht und zehn waren. Freddy hatte einen Investor mit einer Hundezucht auf dem Land, deren Nachkomen ständig Preise gewannen. Er wünschte sich einen Golden Retriever. Meredith hatte dem Hündchen einen literarischen Namen geben wollen – Kafka oder Fitzgerald – , doch Freddy meinte, es sei nur recht
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