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Inselkönig

Inselkönig

Titel: Inselkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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Entsetzens aus der
Kehle der jungen Frau.
    Christoph sah in die Runde. Vor ihm saßen Menschen,
deren Leben komplett zerstört waren. Dann räusperte er sich. Er musste sich
noch zweimal wiederholen, bevor ihn die anderen ansahen. »Ich fürchte, hier
liegt ein Missverständnis vor.«
    »Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass Papa mich jemals
angefasst hat«, sagte Bente Frederiksen mit tränenerstickter Stimme.
    Telse Nommensen sah Christoph fragend mit
hochgezogener Augenbraue an.
    »Ihre Tochter hat recht«, sagte Christoph. »Der Fall,
über den wir sprechen, liegt länger zurück. Ingwer Frederiksen hat zeitlebens
darunter gelitten. Aus Liebe zu seiner Frau hat er sich dazu bekannt, der Vater
von Bengt zu sein. Tatsächlich aber ist Wiebke Frederiksen damals von Thies
Nommensen vergewaltigt worden.«
    »O nein!« Der junge Frederiksen war bleich geworden.
Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Dann hat mir Thies das alles
finanziert, weil ich sein Sohn bin?«, fragte er mit stockendem Atem.
    »Er hat ein schlechtes Gewissen gehabt«, bestätigte
Ingwer Frederiksen. »Und mir hat er vorgeworfen, dass Bengt nur deshalb so
intelligent sei, weil Thies ihm seine Gene vermacht habe. Ich mit meinem
beschränkten Intellekt hätte das nie hinbekommen.« Der alte Frederiksen schlug
mit der geballten rechten Faust in die offene linke Handfläche. »Ich durfte
nichts sagen. Ständig stand das zwischen Wiebke und mir. Jedes Mal, wenn ich
Bengt angesehen, ihn als Kind in den Arm genommen habe, tauchten diese Bilder
vor mir auf. Und als der Mensch meines Lebens mich verlassen hat, weil bei der
neuen Vergewaltigung von Ute Hoogdaalen die Erinnerungen überhandnahmen, da ist
mein Leben in sich zusammengefallen.« Frederiksen streckte seine Hand nach
Bengt aus, doch der wich ihm aus.
    »Ich habe nicht nur den seelischen Niedergang meiner
Frau miterleben müssen, sondern auch den Hohn und Spott über den kranken Enkel.
Und bei alldem hat Nommensen kalt lächelnd zugesehen, wie sich seine beiden
Kinder ineinander verliebten, heirateten und ein Kind zeugten, ohne zu wissen,
dass sie biologische Halbgeschwister sind. Deshalb musste ich diesen Teufel aus
der Welt schaffen, ihn entblößen, ihm die Knie zerschmettern, damit er nicht
noch einmal vor dem weglaufen kann, was er an Unheil in seinem Leben
angerichtet hat.«

NEUN
    Für die Polizei gibt es keinen Arbeitstag von »sieben
sechsunddreißig«, was die Anzahl täglicher Stunden und Minuten umschreiben
soll. Die Einsatzbereitschaft muss rund um die Uhr gewährleistet sein. Deshalb
ist das Gebäude der Husumer Polizeidirektion in der Poggenburgstraße an den
Wochenenden nicht ausgestorben. Besucher sind erstaunt, welch rege
Betriebsamkeit dort am Tresen der »Wache« herrscht. Für das Publikum nicht
zugänglich sind die Räume der Kriminalpolizeistelle in der ersten Etage. Aus
Tradition teilte sich Christoph immer noch das Büro mit Große Jäger und
Mommsen, obwohl die anderen Beamten seiner Dienststelle in Einzelzimmern
residierten, um in diesem Umfeld ungestört und vertraulich mit Zeugen und
Verdächtigen reden zu können.
    Christoph saß an seinem Schreibtisch und arbeitete an
dem Bericht. Er sah auf, als Mommsen ihn ansprach. Der Schreibtisch des
Kommissars bildete mit dem Arbeitsplatz Große Jägers einen Block.
    Der Oberkommissar saß, Christoph den Rücken zugewandt,
dort. Er hatte eine Schublade herausgezogen und seine Füße darin geparkt. »Wie
viel Zeit benötigt ihr Amateure eigentlich für so einen lausigen Bericht?«,
sagte er und griff zu seinem Kaffeebecher mit den angetrockneten Flecken.
    »Wenn du mitgeholfen hättest, wären wir schon im
Wochenende«, erwiderte Christoph.
    »Dann lernt ihr das nie, wenn ich euch ständig
unterstütze. Da kommst du aus dem Winterurlaub von Föhr und …? Eigentlich
solltest du gut erholt sein und dir die Arbeit zügig von der Hand gehen.«
    »Meine Aufgabe sollte darin bestehen, hier Aufsicht
führend tätig zu sein. Aber mit Mitarbeitern wie dir muss man sich um jeden
kleinen Strauchdieb selbst kümmern.«
    »Den du nie fangen würdest, hättest du nicht einen
erfahrenen Kriminalisten wie mich im Team.«
    Christoph knüllte ein Blatt Papier zusammen und warf
es nach Große Jäger.
    »Ist das ein Übergriff auf einen Untergebenen?«,
fragte der zurück, nahm eine Handvoll Büroklammern und feuerte sie in
Christophs Richtung. Er hatte gerade seine Handfläche geöffnet, und das
Büromaterial segelte durch den Raum, als es

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