Inseln im All -: Roman (German Edition)
Tex Duncan:
»Noch zwanzig Minuten, sagen Sie? Ich will verdammt sein, wenn ich hier so lange untätig herumläge. Ich werde mir mal diesen prächtigen Rasierspiegel näher anschauen.«
»Also gut«, antwortete der Regisseur, der es sich vermutlich schon lange abgewöhnt hatte, Tex Duncan zu widersprechen. »Aber bitte kommen Sie rechtzeitig wieder zurück.«
Ich stand am Ausguckfenster und sah den schwachen Nebelstreifen aus Duncans Düsen, als er startete.
»Er fliegt ziemlich schnell«, sagte einer von uns. »Hoffentlich kann er rechtzeitig abbremsen. Wir wollen schließlich nicht noch mehr Löcher in unseren hübschen Spiegel bekommen.«
Dann schien plötzlich alles auf einmal zu geschehen. Ich hörte, wie Kommandant Doyle losbrüllte:
»Sagt diesem Idioten, er soll anhalten! Er soll bremsen, was das Zeug hält! Er hält genau auf den Brennpunkt zu – und dort wird er zu Asche verbrennen!«
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich verstand, was er meinte. Dann erinnerte ich mich, dass alle Licht- und Hitzestrahlen, die unser Hohlspiegel sammelte, auf jener Stelle draußen vor dem Spiegel konzentriert wurden, auf die Tex Duncan in diesem Moment sorglos zusteuerte. Die Hitze an dieser Stelle war unvorstellbar groß, und doch konnte das Auge nichts wahrnehmen, was auf die Gefahr hingewiesen hätte – bis es zu spät wäre. Jenseits des Brennpunktes breitete sich das Strahlenbündel wieder aus und wurde harmlos. Aber dort, wo sich einst die Heizspiralen befunden hatten – in jener Lücke zwischen den hinausragenden Trägerstreben – würde die Strahlenkonzentration jedes Metall in Sekunden zerschmelzen. Und Tex Duncan hielt genau auf diese Lücke zu! Wenn er sie erreichte, würde sein Leben ebenso schnell erlöschen wie das einer Motte in der Flamme eines Schweißbrenners.
6
Irgendjemand schrie etwas über das Radio, um Duncan zu warnen. Ich fragte mich nur, ob er auch kaltblütigen Verstand genug hätte, um das Richtige zu tun. Ebenso gut mochte er in eine Panik geraten und sich hilflos zu drehen beginnen, ohne seinen Kurs zu ändern.
Der Kommandant schien das Gleiche gedacht zu haben, denn plötzlich schrie er:
»Festhalten – alle! Ich kippe den Spiegel!«
Ich packte den nächsten Haltegriff. Mit einem einzigen Ruck seiner mächtigen Arme stieß sich Doyle zu der provisorischen Schalttafel hin, die dicht bei einem Beobachtungsfenster montiert war. Er blickte zu der schnell herantreibenden Gestalt hinaus und berechnete blitzschnell im Kopf die notwendigen Maßnahmen. Dann glitten seine Finger rasch über die Schaltknöpfe der Triebwerkkontrolle.
Neunzig Meter entfernt – drüben am gegenüberliegenden Rand des Spiegels – sah ich die ersten Düsenflammen aufzucken. Ein Beben durchlief das gebrechliche Rahmengerüst des Spiegels, das in keiner Weise dafür gebaut war, eine so plötzliche Antriebsbeschleunigung auszuhalten. Und trotzdem schien es sich noch viel zu langsam zu drehen. Endlich sah ich, wie sich die Sonne scheinbar seitwärtsbewegte. Der Spiegel war nicht mehr direkt gegen sie gerichtet, und der unsichtbare Feuerkegel öffnete sich jetzt harmlos nach einer anderen Richtung des Raumes. Wie nahe die Glut an Tex Duncan vorbeistrich, konnten wir nicht wissen, aber Duncan erzählte später, dass in einem Sekundenbruchteil eine flammende Lichtexplosion an ihm vorbeigezogen wäre, so dass er minutenlang nichts mehr sehen konnte.
Die Steuerdüsen brannten aus, und mit einem Seufzer der Erleichterung ließ ich meinen Handgriff los. Die Beschleunigung war zwar nur schwach gewesen; denn diese kleinen Treibsätze hatten nicht genug Kraft, um eine wirklich heftige Wirkung zu erzielen, aber trotzdem war sie doch zu stark für den Spiegel, der für eine solche Beanspruchung nicht gebaut war. Einige der Spiegelfacetten hatten sich losgerissen und trieben jetzt langsam im Raum. Und die ganze Kraftstation drehte sich nun. Man würde ziemlich lange mit Gegenstößen manövrieren müssen, um die Bewegung wieder zum Stillstand zu bringen, in die der Kommandant den Spiegel versetzt hatte. Sonne, Erde und Sterne drehten sich langsam um uns herum, und ich musste sekundenlang die Augen schließen, ehe ich mich wieder orientieren konnte.
Als ich sie wieder öffnete, sprach gerade der Kommandant heftig mit den Leuten der »Orson Welles« und erklärte ihnen, was geschehen war – und er sagte ihnen auch ungehemmt seine Meinung über Mr. Duncan. Für diesen Tag waren die Dreharbeiten zu Ende – und es
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