Inseln im Netz
an, und so ging es dahin. Beinahe hätte er mich geschlagen. Ballte schon die Fäuste und alles.« Emily legte eine dramatische Pause ein. »Ich rannte hierher ins Schlafzimmer und schloß die Tür ab. Und er sagte kein einziges Wort. Er ließ mich einfach hier drinnen. Als ich herauskam, war er weg. Und er nahm dieses Foto von mir mit«, sagte sie mit bebender Stimme und zerrte nervös an einer langen Haarsträhne. »Die Schwarzweißaufnahme, die mir so gut gefällt. Und das war vor zwei Tagen, und wenn ich ihn anrufe, nimmt er nicht ab.«
Sie schien den Tränen nahe. »Ich weiß nicht, Laura. Ich habe alles versucht. Ich habe es mit Männern in der Firma und außerhalb versucht, und ich habe einfach kein Glück. Entweder wollen sie einen besitzen und Mittelpunkt des Universums sein, oder sie behandeln einen als Dienstleistungsbetrieb für Übernachtung und Frühstück und hängen dir Gott weiß was für Krankheiten an. Und seit ich Ausschußmitglied bin, ist es nur schlimmer geworden. Die Männer bei Rizome kann ich jetzt abschreiben. Sie gehen auf Zehenspitzen um mich herum, als ob ich eine Tretmine wäre.«
Sie wandte den Blick von der Kamera. »Komm her, Schnurri!« Eine Perserkatze sprang aufs Bett. »Vielleicht liegt es an mir, Laura. Andere Frauen kommen mit Männern zurecht. Du ganz bestimmt. Vielleicht brauche ich Hilfe von außen.« Sie zögerte. »In der Handelsabteilung hat jemand einen anonymen Anschlag ans Schwarze Brett geheftet. Über eine psychiatrische Droge, die von Eheberatern empfohlen wird. ›Romanze‹ heißt sie. Hast du schon mal davon gehört? Ich glaube, das Zeug ist illegal oder was.« Sie streichelte mechanisch ihre Katze.
»Nun, das ist nichts Neues, wirst du doch denken. Emilys Tränengeschichte Nummer zweiunddreißig. Ich glaube, zwischen mir und Arthur ist es jetzt aus. Er ist ein künstlerischer Typ. Fotograf. Überhaupt nicht im Geschäftsleben. Ich dachte, es könnte klappen. Aber ich irrte mich, wie üblich.« Sie zuckte seufzend die Achseln. »Ich sollte die Sache wohl positiv sehen. Er hat mich nicht angepumpt und nicht mit Aids infiziert. Und er war nicht verheiratet. Ein richtiger Prinz.«
Sie lehnte sich gegen das Kopfbrett aus Mahagoni und sah müde und wehrlos aus. »Ich sollte dir das nicht erzählen, Laura, also vergiß nicht, es sofort zu löschen. Die Konferenz, die bei dir stattfinden soll, ist Teil des Geschäfts mit der Grenada United Bank. Rizome hat diese Konferenz über die Speicherung, den Handel und den Raub von Daten in die Wege geleitet. Das hört sich nicht nach etwas Neuem an, aber paß auf: Die Teilnehmer sind echte, lebendige Piraten. Datenräuber, zwielichtige Typen aus den Steueroasen. Erinnerst du dich an den Kampf, den wir durchstehen mußten, um euer Ferienheim für größere Konferenzen ausgerüstet zu bekommen?«
Emily machte ein Gesicht. »Die Europäer sollten bereits dort sein. Sie sind noch die zahmsten von der ganzen Bande - der Legalität am nächsten. Aber morgen kannst du ein paar
Grenadiner erwarten, mit einem von unseren Sicherheitsleuten. Der Ausschuß hat dir bereits den Plan geschickt, aber nicht mit allen Einzelheiten. Soweit es dich betrifft, sind sie allesamt rechtschaffene, gesetzestreue Bankleute. Sei nett zu ihnen, ja? Wir mögen sie als Gauner ansehen, aber was sie tun, ist in ihren Kleinstaaten völlig legal.«
Sie runzelte die Stirn. Die Katze sprang vom Bett aus dem Kamerabereich. »Seit Jahren haben sie Stücke aus uns herausgebissen, und wir müssen sie zur Vernunft bringen. Es sieht nicht gut aus, wenn ein Unternehmen wie Rizome sich an Datenräuber heranmacht, also laß nichts davon verlauten, nicht wahr? Es ist dumm von mir, aber ich wollte dich nicht unvorbereitet da hineintappen lassen. Wenn herauskommt, daß ich davon geplappert habe, bin ich die längste Zeit Ausschußmitglied gewesen. Also sei diskreter, als ich es bin. Gut, Ende der Durchsage. Schick mir eine Aufzeichnung mit dem Baby, ja? Und sag David einen Gruß.« Der Bildschirm erlosch.
Laura löschte die Aufzeichnung. Danke, Emily. Datenräuber, elektronische Piraten. Zwielichtige kleine Geschäftemacher aus irgendwelchen obskuren Steueroasen - Typen, die auf Zündhölzern kauten und changierende Anzüge trugen. Das erklärte die Europäer. Von wegen Bankleute! Sie waren allesamt Aufreißkünstler. Ganoven!
Sie waren nervös, das war es. Und kein Wunder. Sie konnten in dieser Situation leicht in Verlegenheit kommen. Ein Anruf bei der Polizei von
Weitere Kostenlose Bücher