Inseln im Netz
Auf dem Flugplatz von Grenada, kurz nach dem Angriff. Die Übereinstimmung war unheimlich. Die gleichen Leute, nur waren es Japaner, Koreaner und Südostasiaten anstelle der Yankees und Europäer und Südamerikaner. Die gleiche Mischung - schäbige Techniker, und Geschäftemacher mit leeren Geldaugen, und unseriös aussehende Finanzbetrüger in zerknitterten Leinenanzügen. Das gleiche, nervös gewordene parasitische Gelichter, das seiner unsauberen Tätigkeit gern hinter den Kulissen nachgeht und sich an der Öffentlichkeit sehr unglücklich fühlt.
Ja. Es war, als hätte die Welt in der Badewanne eine Schmutzschicht abgespült, und diese Warteschlange sei der Abfluß, voll von Seifenrückständen, Hautschuppen und Haaren.
Spülicht, treibender Unrat, der ausgesiebt und endgelagert werden mußte. Plötzlich stellte sie sich die ruhig wartende, aber nervös aussehende Warteschlange vor, wie sie an die Wand gestellt und erschossen wurde. Die Vorstellung verschaffte ihr häßliche Befriedigung. Es war kein gutes Gefühl. Sie verlor die Selbstbeherrschung. Das Überspringen schlechter Ausstrahlung…
»Halt!« rief sie. Sie sprang aus der Rikscha und ging zielbewußt auf die Spitze der Warteschlange zu: zwei japanische Techniker. »Konnichi-wa!« Die zwei Männer sahen sie verdrießlich an. Sie lächelte. »Denwa wa doko ni arimasu ka?«
»Wenn wir ein Telefon hätten, würden wir es benutzen«, sagte der Größere der beiden. »Und Sie können Ihr schulmäßiges nihongo für andere aufsparen; ich bin aus Los Angeles.«
»Wirklich?« sagte Laura. »Ich bin aus Texas.«
»Texas!« Seine Augen weiteten sich. »Gott, Harvey, das ist sie! Wie heißt sie noch gleich?«
»Webster«, sagte Harvey. »Barbara Webster. Hat man Sie aus dem Wasser gezogen? Sie sehen aus wie eine ertrunkene Ratte!« Er schaute zur Rikscha hinüber und lachte. »Sind Sie mit dem Dreirad da gekommen?«
»Wie komme ich an dieser Menge vorbei und ans Netz?« fragte sie.
Los Angeles lächelte breit. »Warum sollten wir es Ihnen sagen? Sie haben uns vor dem Parlament schlecht gemacht. Stellen Sie sich hinten an, bis Ihnen die verdammten Beine brechen!«
»Ich bin nicht die Feindin der Bank«, sagte Laura. »Ich bin Integrationistin. Dachte, das hätte ich in meiner Anhörung deutlich gemacht.«
»Unsinn«, sagte Harvey. »Das können Sie jemandem erzählen, der keine Krempe am Hut hat! Seit wann gibt es in Ihrer kleinen Rizome Platz für Leute, die Fremdprogramme kopieren? Sie haben hier die Rechtschaffene gespielt, aber ich habe das Gefühl, daß man Sie in Grenada umgedreht hat! Denn ich sehe nicht, wie eine bourgeoise Mama-Papa-Demokratin sich aus Prinzip mit der VEP anlegen sollte.«
Sechsunddreißig hatte seine Rikscha zusammengeklappt und über den Bürgersteig gezogen. »Sie könnten höflicher zu Madam sein«, sagte er.
Los Angeles musterte den Jungen. »Sagen Sie bloß, Sie treiben sich mit diesen kleinen Scheißern herum…« Plötzlich schrie er auf und schlug auf seinen Schenkel. »Verdammt noch mal! Da ist es wieder! Etwas hat mich gestochen!«
Sechsunddreißig lachte. Los Angeles' Antlitz umwölkte sich. Er holte aus, dem Jungen einen Stoß zu versetzen, aber Sechsunddreißig wich leichtfüßig aus. Blitzschnell zog er einen Bambusstock unter dem Passagiersitz heraus, umfaßte ihn und lächelte böse. Seine dunklen Knopfaugen glänzten wie zwei Tropfen Schmierfett.
Los Angeles wandte sich zu den Umstehenden. »Etwas hat mich gestochen!« rief er aus. »Wie eine Wespe! Und wenn es dieser Junge war, wie ich glaube, sollten wir ihm eine Abreibung geben! Und außerdem stehen wir schon die ganze Nacht hier draußen! Diese eingebildete Ziege hier glaubt, sie braucht bloß zu kommen und kann als erste hinein! Aber da hat sie sich geschnitten! Es ist diese Webster-Kanaille! Lauren Webster!«
Drohendes Gemurmel erhob sich auf seine Worte hin; die Wartenden schienen entschlossen, jedes Vordrängen zu verhindern. Sechsunddreißig spielte jetzt eher verlegen mit seinem Bambusstock.
Während Laura überlegte, was zu tun sei, kam ein Tamile dahergehinkt. Er trug einen Dhoti, den Lendenschurz des Südinders. Sein bloßes dunkles Schienbein war mit einem Verband umwickelt, und er stützte sich auf einen Spazierstock. Er blieb stehen und stieß Harvey die Gummispitze des Stockes vor die Brust. »Beruhige deinen Freund, da«, sagte er. »Benehmt euch wie zivilisierte Menschen!«
»Scheiß dich weg, Kuttenbrunzer!« sagte Harvey in eher
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