Inseln im Netz
um die Uhr. Es ist Babylon. Wenn es je ein Babylon gab, ist es hier.«
»Ich dachte, wir seien Babylon«, sagte Laura. »Das Netz, meine ich.«
Sticky schüttelte den Kopf. »Diese Leute sind mehr wie Sie, als Sie es je waren.«
»Oh«, sagte Laura. »Danke.«
»Sie würden nicht tun, was die mit Grenada gemacht haben«, sagte er.
»Nein. Aber ich glaube nicht, daß sie es waren, Sticky.«
»Vielleicht nicht«, erwiderte er, »aber es ist mir gleich. Ich hasse sie für das, was sie sind, für das, was sie sein wollen. Für das, was sie aus der Welt machen wollen. Sie können ein Land mit Spielzeug niederbrennen, wenn Sie wissen, wie. Es sollte nicht wahr sein, ist es aber. Sie können einem Volk Herz und Seele herausreißen. Wir wissen das in Grenada so gut wie sie es hier wissen. Wir wissen es besser.«
Er machte eine Pause. »All dieses Gerede von der Bewegung, das Ihrem David so gefiel, die Ausbildung von Kadern, die Sicherung der Ernährungsgrundlage… Wenn der Krieg kommt, ist es weg. Wie fortgeblasen. In diesem Irrenhaus unter Fedons Festung gehen sie einander alle auf die Nerven. Ich weiß, daß ich meine Befehle von diesem Scheißer Castleman bekomme. Von diesem fetten Hacker, der überhaupt kein richtiges Leben hat - nur einen Bildschirm. Jetzt gibt es nur noch Prinzipien. Taktik und Strategie. Jemand hat dies oder das zu tun, ganz gleich, wo oder wer, nur um zu beweisen, daß es möglich ist…«
Er beugte sich auf dem Stuhl vor und rieb sich das nackte Bein. Der Verband war jetzt fort, aber sein Schienbein ließ noch Spuren erkennen. »Dieses Ding wurde in Fedons Festung geplant«, sagte er. »Dieses Dämonen-Ding. Dieses Demonstrationsprojekt. Seit zwanzig Jahren arbeiten sie dort an solchen Dingen, Laura, sie haben eine Technik entwickelt wie… wie… sie ist nicht menschlich. Ich wußte nichts davon, niemand wußte davon. Ich kann mit dieser Stadt Dinge anstellen - ich, noch ein paar eingeschmuggelte Kameraden, nicht viele -, die Sie sich nicht vorstellen können.«
»Wodu«, sagte Laura.
»Richtig. Mit der Technik, die sie uns gaben, kann ich Dinge anstellen, die Sie nicht von Zauberei unterscheiden können.«
»Was für Befehle haben Sie?«
Er stand plötzlich auf. »Sie kommen darin nicht vor.« Er ging in die Kochnische und öffnete den rostfleckigen Kühlschrank.
Auf dem Tisch lag ein Buch, ein dicker Loseblattband. Kein Rückentext, kein fester Einband. Laura schlug das Buch auf. Alle Seiten stammten aus einer Kopiermaschine. Der Titel lautete: Die Lawrence-Doktrin und postindustrieller Aufstand, von Oberst Jonathan Gresham.
»Wer ist Jonathan Gresham?« fragte sie.
»Er ist ein Genie«, sagte Sticky. Er kam mit einem Karton Joghurt zurück an den Tisch. »Es ist keine Lektüre für Sie. Schauen Sie nicht einmal hin. Wenn Wien wüßte, daß Sie dieses Buch in der Hand hatten, würden Sie nie wieder das Tageslicht erblicken.«
Sie legte es sorgsam zurück. »Es ist bloß ein Buch.«
Sticky lachte gellend auf. Er begann Joghurt in den Mund zu schaufeln, mit dem zusammengekniffenen Ausdruck eines kleinen Jungen, der Medizin löffelt. »Haben Sie in letzter Zeit Carlotta gesehen?«
»Zuletzt auf dem Flughafen in Grenada.«
»Werden Sie von hier abreisen? Nach Hause gehen?«
»Ich möchte es natürlich gern. Offiziell ist meine Anhörung vor dem Parlamentsausschuß noch nicht abgeschlossen. Außerdem möchte ich ihre Entscheidung über die Informationspolitik wissen…«
Er schüttelte den Kopf. »Wir werden es Singapur besorgen.«
»Nein, das werden Sie nicht«, sagte sie. »Egal was Sie tun können, Sie werden die Datenhaie nur in irgendwelche Verstecke treiben. Ich möchte sie ans Tageslicht ziehen - alles ans Licht bringen. Wo jeder sich offen und ehrlich damit auseinandersetzen kann.«
Sticky sagte nichts. Er atmete plötzlich schwer, sein Gesicht sah grünlich aus. Dann rülpste er und öffnete die Augen. »Sie und Ihre Leute - Sie wohnen am Hafen, im Bezirk Anson.«
»Richtig.«
»Wo dieser Anti-Labour-Trottel, Rashak…«
»Dr. Razak, ja, das ist sein Wahlbezirk.«
»Gut«, sagte er. »Wir können Razaks Leute in Ruhe lassen. Soll er diese Stadt regieren - wenn etwas von ihr übrig bleibt. Bleiben Sie dort, und Sie werden sicher sein. Verstanden?«
Laura dachte darüber nach. »Was wollen Sie von mir?«
»Nichts. Gehen Sie nach Hause - wenn man Sie läßt.« Es blieb eine Weile still zwischen Ihnen. »Wollen Sie das essen, oder was?« sagte Sticky endlich. Laura
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