Inseln im Netz
bemerkte, daß sie die Plastikgabel genommen und zwischen den Fingern gebogen hatte, hin und her, als wäre sie an ihrer Hand festgeklebt.
Sie legte sie aus der Hand. »Was ist ›bulgarischer Schrott‹, Sticky?«
»Schrot«, antwortete Sticky. »Der alte bulgarische KGB gebrauchte ihn vor langer Zeit. Winzig kleine Stahlkugeln, mit Löchern durchbohrt und mit Wachs verschlossen. Stecken sie unter der Haut, schmilzt das Wachs in der Körperwärme, und das darin enthaltene Gift kann heraus. Meistens Ricin, ein gutes starkes Gift… Aber nicht, was wir gebrauchen.«
»Was gebrauchen Sie?«
»Karbol. Warten Sie.« Er verließ den Tisch, öffnete einen Küchenschrank und zog einen verschlossenen Beutel heraus. Diesem entnahm er eine flache schwarze Kunststoffpatrone. »Hier.«
Sie drehte das Ding zwischen den Fingern. »Was ist das? Ein Schreibband?«
»Wir verdrahten sie mit den Taxis«, sagte Sticky. »In dieser Patrone ist ein starker Federmechanismus, dazu zwanzig, dreißig Schrotkugeln mit Karbol. Wenn das Taxi auf der Straße einen Mann sieht, entlädt sich die Waffe manchmal. Ein automatisches Taxi ist leicht zu stehlen und dafür herzurichten. Die Taxis vor dieser Bank waren alle mit dem Spielzeug präpariert. Karbol wirkt aufs Gehirn, erzeugt Schrecken, Terror. Das Gift wird langsam freigesetzt, die Wirkung hält Tage und Tage an! Warum sich abmühen, um irgendeinem Dummkopf zu terrorisieren, wenn man es auch einfach haben kann, elegant und ohne Aufhebens?«
Sticky lachte. Er kam allmählich in Fahrt. »Dieser schlitzäugige Yankee in der Schlange, der mit Ihnen redete, wird sich jetzt in seinem Bett herumwerfen und schwitzen und schlimme Träume haben. Ich hätte ihn genauso leicht töten können, mit Gift. Er könnte jetzt tot sein, aber warum das Fleisch töten, wenn ich die Seele fassen kann? Allen, die jetzt um ihn sind, wird er Furcht und Schrecken einflößen, er wird mit seinen Worten Furcht und Schrecken verbreiten, so sicher wie verbranntes Fleisch stinkt.«
»Sie sollten mir das nicht sagen«, sagte Laura.
»Weil Sie hingehen und es der Regierung erzählen müssen, nicht wahr?« Sticky lachte wieder. »Tun Sie mir den Gefallen, machen Sie nur! In Singapur gibt es zwölftausend Taxis, und nachdem Sie es erzählt haben, werden sie jedes einzelne untersuchen müssen! Zuviel Arbeit, ihr Transportsystem zu ruinieren, wenn wir sie dazu bringen können, daß ihre Polizisten es für uns tun! Und vergessen Sie nicht zu sagen, daß wir auch ihre Magnetzüge präpariert haben. Und wir haben noch eine ganze Menge von diesen kleinen Dingern übrig.«
Sie legte die Patrone auf den Tisch zurück. Vorsichtig, als wäre sie aus hauchdünnem Glas.
»Inzwischen wissen sie, daß ihr Häuptling, dieser Kim, seine Finger in etwas gesteckt hat, wo er sie besser herausgehalten hätte.« Er zeigte zu den Kanistern. »Sehen Sie die Kanister?« Er lachte. »Abendhandschuhe werden in Singapur wieder modern! Regenmäntel und Atemmasken sind auch angezeigt!«
»Das ist genug!«
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Schreien Sie mich nicht an! Wollen Sie nichts über die Büroklammer-Minen hören? Wie billig sie sind, wie leicht sie einem den Fuß abreißen können?«
»Ich schreie nicht!«
Er sprang auf, stieß seinen Stuhl zurück. »Fangen Sie nicht an zu heulen! Sparen Sie sich das für den Tag auf, wenn man mich hier tot herausholt!«
»Hören Sie auf!«
»Ich bin der Teufel in der Kathedrale! Überall bunte Glasfenster, aber ich mit einem Blitz unter jeder Fingerspitze! Ich bin das springende Rasiermesser, die Stimme der Zerstörung, sie werden jeden Inder in dieser Stadt einsperren müssen, wenn sie mich fangen wollen, und was wird dann aus ihrer beschissenen multikulturellen Gesellschaft und ihrer Gerechtigkeit? Ich werde das Chaos über sie ausgießen. Nicht ein Stein soll auf dem anderen bleiben! Kein Brett soll stehenbleiben, kein Glassplitter, der nicht bis auf den Knochen schneidet!« Er tanzte im Raum herum, schwenkte die Arme, trat mit den Füßen auf Abfall. »Ja, Feuer! Donner! Ich kann es tun, Mädchen! Es ist leicht! So leicht…«
»Nein! Niemand muß sterben!«
»Es ist groß! Und prachtvoll! Ein großes Abenteuer! Es ist ruhmreich! Die Macht in sich zu haben, und ihr freien Lauf zu lassen, das ist eines Kriegers Leben! Das ist es, was ich hier und jetzt habe, und es ist alles wert, alles!«
»Nein, ist es nicht!« schrie sie ihn an. »Es ist verrückt! Nichts ist leicht, Sie müssen es
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