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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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verzehrten. Als Hesseltine eintrat, legten sie mit Geklapper das Besteck aus den Händen und applaudierten höflich.
    Hesseltine bot ihr den Ellbogen. Ängstlich bemüht, diesen Leuten nicht unnötig Anlaß zum Unwillen zu geben, hängte sie sich bei ihm ein, und er paradierte mit ihr durch den schmalen Gang zwischen den Tischreihen. Die Männer waren alle nahe genug, sie anzufassen, anzuzwinkern, zu grinsen oder Bemerkungen zu machen, aber keiner von ihnen tat es oder machte auch nur ein Gesicht, als wollte er. Eine disziplinierte Besatzung. Laura roch ihre Seife und ihr Shampoo, ihr Breuf Stroganoff und die grünen Bohnen. In der Ecke zeigte ein flaches Breitschirm-Fernsehgerät einen Zweikampf im illegalen Kickboxen: Zwei drahtige Thailänder schlugen einander lautlos blutig. Der Ton war heruntergedreht.
    Sie verließen die Kantine. Laura erschauerte hilflos und ließ seinen Arm fahren. Sie fühlte sich von einer Gänsehaut überlaufen. »Was ist mit denen?« fragte sie mit gedämpfter Stimme. »Sie sind so ruhig und bescheiden…«
    »Was ist mit Ihnen?« versetzte er. »Dieses lange Gesicht… Sie machen alle nervös.«
    Sie führten Laura zurück zu dem ersten Raum, den sie gesehen hatte, wo die Aufzüge waren. Sie stiegen die Wendeltreppe zum oberen Deck hinauf. Unter ihnen arbeiteten Besatzungsmitglieder an den Drohnen, untersuchten auseinandergenommene Maschinen auf kleinen Zeltbahnen.
    Baptiste und Hesseltine machten bei einem der bemalten Silos halt. Jetzt sah sie, daß die fünfzackigen Sterne und Kometen eine schwarze Silhouette hatten, den Umriß einer stilisiert dargestellten vollbusigen Frau, die langen Beine ausgestreckt, das Haar zurückgeworfen, die Haltung einer Stripperin. Und Buchstaben: TANYA. »Was ist das?« fragte Laura.
    »Das ist der Name des Tanks«, sagte Baptiste. Es klang etwas entschuldigend, wie von einem besseren Herrn, der gezwungen ist, ein anstößiges Thema zu erwähnen. »Die Männer haben es gemalt… gehobene Stimmung… Sie wissen, wie es ist.«
    Gehobene Stimmung. Sie konnte sich die ernsten, disziplinierten Matrosen, die sie an Bord gesehen hatte, beim besten Willen nicht übermütig vorstellen. »Was für ein Ding ist das?«
    Hesseltine ergriff das Wort. »Nun, man steigt natürlich da hinein, und…« Er hielt inne. »Sie sind nicht lesbisch, nicht wahr?«
    »Was? - Nein…«
    »Zu dumm… Wenn Sie nicht lesbisch sind, werden Sie von den besonderen Merkmalen nicht viel haben… Die Leute sagen jedoch, daß es auch ohne die Simulationen sehr entspannend sei.«
    Laura trat einen Schritt zurück. »Sind… sind sie alle so?«
    »Nein«, sagte Baptiste. »Einige dienen als Drohnenbehälter, und die anderen zum Start von Raketen. Aber fünf davon dienen der Erholung. ›Hollywood-Bäder‹ werden sie von den Leuten genannt.«
    »Und Sie wollen, daß ich da hineingehe?«
    »Wenn Sie wollen«, sagte Baptiste zögernd. »Wir werden die Maschinerie nicht aktivieren - nichts wird Sie berühren -, Sie werden einfach darin treiben, atmen, träumen. In hübsch erwärmtem Seewasser.«
    »Wird Sie für ein paar Tage vor Schwierigkeiten bewahren«, sagte Hesseltine.
    »Tage?«
    »Die Tanks sind unter Zuhilfenahme modernster Technik entwickelt worden«, sagte Baptiste. »Und es handelt sich nicht um etwas, das wir erfunden hätten, wissen Sie; das Patent befindet sich im Besitz eines der von Ihnen so hochgelobten Multis.«
    »Ein paar Tage sind nichts!« sagte Hesseltine. »Wenn wir Sie ein paar Wochen darin lassen würden, könnten Sie anfangen, Ihre Optima Persona zu sehen, und alle Arten von verdrehten Halluzinationen. Aber einstweilen sind Sie dort vollkommen sicher und zufrieden. Und wir wissen, wo Sie sind. Hört sich das nicht gut an.«
    Laura schüttelte ängstlich den Kopf; sie war ganz klein. »Wenn Sie mir nur irgendwo eine Schlafkoje suchen könnten… einen kleinen Winkel irgendwo, mit einer Matratze am Boden… Es würde mir wirklich nichts ausmachen.«
    »Hier gibt es nicht viel Zurückgezogenheit«, sagte Baptiste. »Die Verhältnisse sind beengt.« Er schien jedoch erleichtert. Froh, daß sie keinen kostbaren Tank-Raum in Anspruch nehmen würde.
    Hesseltine runzelte die Stirn. »Nun, ich möchte nachher kein Gejammer und Gemecker von Ihnen hören.«
    »Nein, nein.«
    Hesseltine warf einen Blick auf sein wasserdichtes Uhrtelefon. »Tut mir leid, aber ich muß jetzt das Hauptquartier anrufen und Bericht erstatten.«
    »Lassen Sie sich durch mich nicht stören«, sagte

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