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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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angetan haben, würde er Sie mehr fürchten als Sie ihn.«
    »Also wirklich!« sagte Hesseltine sinnend. Er dachte darüber nach, dann sah er erfreut aus. »Ja, vielleicht würde er! Und er würde verdammt gut daran tun, nicht wahr?«
    »Aber er würde sich auf Ihre Fährte setzen, irgendwie. Wenn er wüßte.«
    »Halt«, sagte Hesseltine. »Ich sehe Ihnen an, daß Ihnen darüber das Herz brechen würde… Nun, kein Problem. Wir haben sie einmal in den Hintern getreten, und in ein paar Monaten wird es kein Grenada mehr geben… Hören Sie, niemand mit Ihrer Einstellung braucht einen verrückten Kerl wie Gresham zu lesen. Ich werde Ihnen statt dessen den Computer bringen lassen.«
    »In Ordnung.«
    »Sie werden mich nicht wiedersehen, Laura. Sie fliegen mich aus.«
    So war es immer mit Hesseltine. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen sollte, mußte aber etwas sagen. »Man sorgt dafür, daß Sie beschäftigt sind, nicht?«
    »Das kann man sagen… Es gibt immer noch Luxemburg, wissen Sie. Die EFT-Commerzbank. Sie wähnen sich in Sicherheit, weil sie mitten in Europa eingebettet sind. Aber ihre Bankgeschäfte wickeln sie in Zypern ab, und Zypern ist eine hübsche kleine Insel. Wenn es anfängt zu knallen, wissen Sie, daß ich dort bin.«
    »Ganz bestimmt.« Er sagte nicht die Wahrheit. Er würde mit Sicherheit nicht nach Zypern gehen. Vielleicht nicht einmal das Boot verlassen. Wahrscheinlich ging er in einen Tank, dachte sie, um mit Hollywoodpuppen aus Gummi zu ficken, während sein Geist im Nirwana trieb… Aber er mußte einen besonderen Grund haben, wenn er wollte, daß sie ihn in Zypern wähnte. Und das könnte bedeuten, daß man sie eines Tages freilassen würde. Oder daß zumindest Hesseltine mit dieser Möglichkeit rechnete. Aber sie sah Hesseltine nicht wieder.
    Zeit verging. Das U-Boot wurde von vier Besatzungen rund um die Uhr in Betrieb gehalten. Auf jede Mannschaft entfielen zwölf Stunden Freiwache und sechs Stunden Dienst. Der Wechsel von Tag und Nacht wurde hier in den Tiefen des Ozeans bedeutungslos. Sie bekam in regelmäßigen Abständen eine Mahlzeit gebracht und wurde von ihrem jeweiligen Bewacher zum Waschraum geführt. Die Männer waren mit Sorgfalt darauf bedacht, sie nicht anzurühren.
    Sie brachten sie immer zur selben Toilette, die immer frisch desinfiziert war. Kein Kontakt mit Körperflüssigkeiten.
    Man behandelte sie, als ob sie ein Aids-Fall wäre. Vielleicht hielt man sie dafür. In den alten Tagen war es üblich gewesen, daß die Seeleute in einem Hafen an Land stürzten, die erstbeste Kneipe leertranken und über alles herfielen, was einen Rock anhatte. Aber dann erkrankten und starben die Hafendirnen überall auf der Welt am Retrovirus.
    Inzwischen hatte man den Virus einigermaßen eingedämmt. Unter Kontrolle.
    Außer in Afrika.
    Konnte es tatsächlich sein, daß die Besatzung Aids hatte?
    Das Videospielgerät hatte ungefähr so viele Möglichkeiten wie ein kleiner Spielcomputer in einem Kinderzimmer. Die Spiele wurden eingesteckt, kleine, von endlosem Abspielen abgenutzte Kassetten. Die graphischen Darstellungen waren primitiv, große treppenartige Pixel, und alles lief ziemlich ruckartig ab.
    Die Primitivität störte sie nicht, aber die Themen waren erstaunlich.
    Ein Spiel trug den Titel ›Raketenkommando‹. Der Spieler steuerte kleine Klumpen auf dem Bildschirm, die Städte darstellen sollten. Der Computer griff sie mit Nuklearwaffen an: Bomben, Flugzeugen, ballistischen Raketen.
    Die Maschine gewann immer - vernichtete alles Leben in einer großen, aufblitzenden Explosion. Und das hatten einmal Kinder gespielt. Es war völlig krankhaft.
    Dann gab es ein Spiel mit dem Titel Eindringlinge aus dem Weltraums Die Eindringlinge waren kleine Krabben und Höllenhunde, die mit UFO-ähnlichen Dingern kamen und in Gleichschritt über den Bildschirm marschierten. Sie gewannen immer. Man konnte sie zu Hunderten abschlachten, sogar neue kleine Forts gewinnen, um Waffen abzufeuern, Laser oder Bomben, aber am Ende ging man unweigerlich unter. Der Computer gewann immer. Es ergab so wenig Sinn, den Computer jedesmal gewinnen zu lassen, als ob Schaltkreise sich des Sieges erfreuen könnten. Und jede Anstrengung, so heroisch sie auch war, endete in Vernichtung. Es war alles so schauerlich, echt finsterstes zwanzigstes Jahrhundert.
    Es gab noch ein drittes Spiel, das einen runden gelben Verschlinger zum Gegenstand hatte - sein Ziel war, alles zu verschlingen, was in Sicht kam, die kleinen

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