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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Laura. »Sie haben mehr als genug getan. Ich bin ganz sicher, daß ich gut aufgehoben sein werde, wirklich.«
    »Da schau her«, sagte Hesseltine. »Das hörte sich beinahe wie ein Dankeschön an.«
     
    Sie fanden in der Bordwäscherei einen Schlafplatz für sie. Es war eine verwinkelte Höhle, feucht vom Dampf, nach Waschmittel riechend und vollgestopft mit scharfkantigen Maschinen. Ein einfaches schmales Feldbett wurde unter einem Wald aus grauen numerierten Röhren geschoben, von dem Handtücher hingen. Außer mehreren großen Waschmaschinen gab es in dem Raum ein paar dampfbetriebene Bügelpressen und alte Wäschemangeln.
    Und gestapelte flache Kartons mit den Spulen alter Hollywoodfilme von der mechanischen Art, die durch Projektoren liefen. Sie waren mit handbeschriebenem Klebeband sauber etikettiert: MONROE #1, MONROE #2, GABLE, HAYWORTH, CICCONE. An der Wand war ein Anschluß der Bordsprechanlage, ein altmodisches Audio-Handgerät mit einem langen Spiralkabel. Der Anblick rief ihr das Netz ins Gedächtnis zurück. Dann David. Ihre Familie, ihre Leute.
    Sie war aus ihrer Welt verschwunden. Dachten sie, sie sei tot? Laura war überzeugt, daß sie noch nach ihr suchten. Aber sie würden in den Gefängnissen und Krankenhäusern Singapurs nach ihr suchen - und in den Leichenhallen. Aber nicht hier. Niemals.
    Ein Matrose kam mit zusammengerollter Matratze und Bettzeug und bereitete ihr Bett mit Effizienz sauber und faltenlos.
    Er brachte eine gefährlich aussehende verchromte Zange zum Vorschein. »Geben Sie die Hände her«, sagte er. Die zwei verbliebenen Armreifen der Kunststoffhandschellen hingen noch um Lauras Handgelenke. Sie waren zäh und wollten sich nicht durchtrennen lassen, aber er arbeitete daran, bis sie sich endlich widerwillig lösten. »Muß ein mächtig scharfes Messer gewesen sein, das diese Dinger durchschnitt«, sagte er.
    »Danke.«
    »Bedanken Sie sich nicht bei mir. Es war Mr. Hesseltines Idee.«
    Laura rieb sich die geröteten Handgelenke. »Wie heißen Sie, Sir?«
    »›Jim‹ wird genügen. Ich höre, Sie sind aus Texas.«
    »Ja. Galveston.«
    »Ich auch, aber weiter die Küste hinunter. Corpus Christi.«
    »Gott, dann sind wir praktisch Nachbarn.«
    »Ja, sieht so aus.« Jim sah wie fünfunddreißig, vielleicht vierzig aus. Er hatte ein breites, fleischiges Gesicht mit rötlichem, schütterem Haar. Seine Haut hatte die Farbe von Schreibpapier, so bleich, daß sie bläuliche Adern am Hals erkennen konnte.
    »Darf ich fragen«, fragte sie, »was Sie hier tun?«
    »Ich beschütze Leute«, sagte Jim. »Im Augenblick Sie, falls Sie auf den Gedanken kommen sollten, irgendeine Dummheit anzufangen. Mr. Hesseltine sagt, Sie seien ein komisches Püppchen. Eine Politische.«
    »Oh«, sagte sie. »Ich meinte, wie sind Sie hierher gekommen?«
    »Wenn Sie schon danach fragen, will ich es Ihnen erzählen«, sagte Jim. Er schwang sich behende auf eine der Waschmaschinen und saß über ihr, den Kopf gebeugt, um nicht gegen die Decke zu stoßen, und ließ die Beine baumeln. »Früher war ich einmal Fischer. Garnelenfischer. Mein Vater war es auch. Und vor ihm sein Vater… Aber sie steckten uns in einen Schwitzkasten, aus dem wir nicht herauskamen. Die Fischereiaufsichtsbehörde, tausend Umweltgesetze. Nicht, daß ich was gegen diese Gesetze gehabt hätte, aber Mexikaner und Nicaraguaner scherten sich einen Dreck um amerikanische Gesetze. Sie fischten die besten Gründe leer, dann unterboten sie uns auf unseren eigenen Märkten. Wir mußten unseren Kutter aufgeben! Verloren alles. Lebten von Sozialhilfe, hatten nichts.«
    »Das tut mir leid«, sagte Laura.
    »Nicht halb so leid wie es uns tat… Nun, ich und ein paar Freunde, die in der gleichen Klemme steckten, versuchten uns zu organisieren, unser Leben und unsere Familien zu schützen. Aber die Texas-Ranger - irgendein gottverdammter Informant mußte es ihnen gesteckt haben - erwischten mich mit einem Gewehr. Und Sie wissen, heutzutage dürfen Privatpersonen in den Staaten keine Feuerwaffen mehr besitzen, nicht mal zum Schutz des eigenen Heimes! Also sah es ziemlich schlecht für mich aus. Dann hörte ich von ein paar Kumpeln in meiner… ahm… Organisation von Anwerbungen nach Übersee. Dort würden Söldnerverbände aufgestellt, niemand würde nach Vorstrafen fragen, und man bekäme guten Sold und eine Gefechtsausbildung. So landete ich in Afrika.«
    »Afrika«, wiederholte Laura. Der bloße Name machte ihr Angst.
    »Es sieht schlimm aus, dort«,

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