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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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blauen Verfolger/Feinde mit eingeschlossen.
    Sie beschäftigte sich meistens mit diesem Spiel, da die Ebene der Gewalttätigkeit weniger abstoßend war. Zwar fand sie nicht viel Gefallen an den Spielen, doch als die leeren Stunden sich im Kreis drehten, entdeckte sie die zwanghafte, besessene Qualität dieser Spielprogramme… das unbekümmerte Bestehen darauf, alle vernünftigen Schranken zu durchbrechen, welches das Kennzeichen der Zeit vor der Jahrtausendwende war. Sie spielte die Programme, bis ihre Finger Blasen bekamen.
     
    Drei Mann in einem Boot… Drei Matrosen bemannten das Schlauchboot unter einer heißen Sonne, die hoch am unendlichen, wolkenlosen Himmel brannte, auf einer endlosen, von sanfter Dünung durchzogenen Ebene blaugrünen Ozeans. Die drei Matrosen und sie waren die einzigen Menschen, die je existiert hatten. Und der winzige Gummifleck von einem Boot war das einzige Land.
    Sie saßen zusammengekauert und trugen Überjacken mit Kapuzen aus dünner, glänzend reflektierender Folie, die in der erbarmungslosen tropischen Sonnenglut schmerzhaft glitzerte.
    Laura zog die Kapuze zurück und streifte sich fettige Haarsträhnen aus der Stirn. Ihr Haar war länger geworden. Seit sie das U-Boot betreten hatte, war es ihr nie gelungen, es richtig zu waschen.
    »Ziehen Sie die Kapuze über den Kopf«, warnte Matrose 1.
    Laura schüttelte den Kopf. »Ich möchte die freie Luft fühlen.«
    »Das ist nicht gut für Sie«, sagte Matrose 1 und zupfte an seinen Ärmeln. »Seit die Ozonschicht weg ist, holen Sie sich in diesem Sonnenschein im Nu Hautkrebs.«
    »Es heißt«, sagte Laura, »das Ozonproblem sei hauptsächlich Angstmacherei.«
    »Natürlich«, höhnte Matrose 1. »Wenn Sie den Behörden glauben wollen.« Seine zwei Kollegen lachten trocken; das Geräusch verdampfte in absoluter ozeanischer Stille.
    »Wo sind wir?« fragte Laura.
    Matrose 1 blickte über die Gummiwulst des Bootes, tauchte seine bleichen Finger ins Wasser und beobachtete, wie es abtropfte. »Coelacanthengebiet…«
    »Welche Zeit haben wir?« fragte Laura.
    »Zwei Stunden bis zum Ende der Gelben Wache.«
    »Aber was für ein Tag?«
    »Ich bin froh, daß wir Sie bald los sein werden«, sagte Matrose 2 plötzlich. »Sie gehen mir auf die Nerven.«
    Laura sagte nichts. Eine bedrückende Stille sank auf sie herab. Sie waren Treibgut, verchromte Folienpuppen in ihrem mattschwarzen Gummifleck. Sie überlegte, wie tief der Ozean unter dem millimeterdünnen Boden sein mochte.
    »Sie haben immer eine Vorliebe für die Rote Mannschaft gehabt«, sagte Matrose 3 mit ebenso unerwarteter wie erschreckender Giftigkeit. »Sie haben den Leuten der Roten Mannschaft mehr als fünfzehnmal zugelächelt. Und Sie haben fast nie jemandem von der Gelben Mannschaft zugelächelt.«
    »Ich hatte keine Ahnung«, sagte Laura. »Das tut mir wirklich leid.«
    »Ach ja. Natürlich. Jetzt.«
    »Da kommt die Maschine«, bemerkte Matrose 1.
    Laura blickte auf, beschirmte die Augen. Der leere Himmel war voll von kleinen Verschwommenheiten, seltsamen kleinen Kringeln, durchsichtig und farblos, die den Bewegungen ihres Augapfels folgten. Sie war nicht sicher, wie man sie nannte oder woraus sie bestanden, aber es hatte etwas mit der Helligkeitsebene zu tun. Dann sah sie etwas am Himmel aufgehen, sich steif wie ein Origamischwan entfalten. Große Flügel vom Hellorange einer Schwimmweste. Es glitt abwärts.
    Matrose 2 überprüfte sein militärisches Funksprechgerät, bis er das Peilsignal hatte. Matrose 3 befestigte einen langen schlaffen Beutel an einem Wasserstoffbehälter und begann ihn mit lautem Ventilzischen aufzublasen.
    Kurz darauf kamen ein zweiter und ein dritter Lastenfallschirm herunter. Matrose 2 ließ einen Freudenschrei hören. Die Lastenträger durchkreuzten den leeren Himmel, und im Näherkommen sah Laura, daß es braune, rautenförmige Körper von Autobusgröße waren, mit breiten, ausfaltbaren Flügeln aus orangefarbenen Kunststoff. Sie erinnerten Laura an Maikäfer, dickbäuchige schwerfällige Flieger, die an warmen Frühlingsabenden Waldränder bevölkerten.
    Die Lastenträger kamen in ausholenden Spiralen herab, ihre gebogenen Rümpfe schlugen klatschend auf und kamen mit überraschender, schwerfälliger Anmut im Wasser zur Ruhe. Die Flügel wurden mit lautem Knacken und Knarren eingefaltet.
    Nun konnte sie das Flugzeug ausmachen, das sie abgeworfen hatte, ein breitflügeliger Airbus aus Keramik, himmelblau von unten, die oberen und seitlichen Teile mit

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