Inseln im Netz
notwendiger Bestechungsgelder zustatten. Seit der Erfindung elektronischer Geldüberweisungen war das Geld selbst zu einer Form von Datenmaterial geworden. Ihre jeweiligen Wirtsregierungen waren nicht geneigt, ihre Aktivitäten genauer zu untersuchen.
Also, dachte Laura, waren die grundlegenden Arbeitsprinzipien klar genug. Aber sie erzeugten nicht Solidarität, sondern bittere Rivalität.
Während der hitzigeren Phasen der Diskussion kam es zu einem nahezu ungehemmten Austausch von Namen, denn die Abstammungslinien der illegalen Datenbanken beschwerten sie mit einem lästigen und bisweilen peinlichen Erbe. In diesen gelegentlichen Ausbrüchen von Offenheit kamen solch schwerwiegende und peinliche Tatsachen gleich gruppenweise wie Wale an die Oberfläche und bliesen Dampf ab, während Laura staunend dabeisaß.
Die EFT-Commerzbank, so erfuhr sie, hatte ihre Wurzeln hauptsächlich in den alten Heroin-Vertriebsnetzen Südfrankreichs und der korsischen Schwarzen Hand. Später waren diese primitiv organisierten Unterweltoperationen von ehemaligen französischen Agenten, die der ›La Piscine‹ entstammten, der legendären korsischen Schule für paramilitärische Saboteure, modernisiert worden. Diese einstigen Spezialkommandos, traditionell zuständig für handgreifliche Spionageaufgaben, fanden dank ihrer Ausbildung ganz natürlich den Weg in die Unterwelt, nachdem die französische Regierung sie von der Gehaltsliste gestrichen hatte.
Zusätzliche Muskeln kamen von der ultralinken französischen Terroristenszene, die ihre Bombenanschläge auf Eisenbahnzüge, Wirtschaftskapitäne und Politiker aufgegeben hatte, um am Datenspiel teilzunehmen, aber auch von rechten Aktionsgruppen, die des Niederbrennens von Synagogen überdrüssig waren. Weitere Verbündete kamen aus den kriminellen Sippen der türkischen Minderheit in Europa, gerissenen Heroinschmugglern, die als Stofflieferanten auch unheilige Verbindungen zur Mafia unterhielten.
Dies alles war in Luxemburg eingeströmt und hatte sich dort seit zwanzig Jahren wie eine Art gräßliches Aspik niedergelassen. Inzwischen hatte sich eine Fassade von Respektabilität gebildet, und die EFT-Commerzbank bemühte sich, ihre Vergangenheit zu verleugnen.
Die anderen waren nicht geneigt, es den Luxemburgern leicht zu machen. Aufgereizt von Winston Stubbs, der sich des Vorfalls erinnerte, mußte Karageorgiu zugeben, daß ein Mitglied der türkischen ›Grauen Wölfe‹ einst einen Papst angeschossen hatte.
Karageorgiu verteidigte sich damit, daß er erklärte, er und seine Freunde hätten damit nichts zu schaffen gehabt; es habe sich nach seinen Erkenntnissen um eine geschäftliche Angelegenheit gehandelt, nämlich einen Racheakt für allzu unchristliches Gebaren des korrupten vatikanischen Geldinstituts Banco Ambrosiano. Die Banco Ambrosiano, so erzählte er, sei eine von Europas ersten echten ›Untergrundbanken‹ gewesen, bevor das gegenwärtige System eingeführt worden sei. Damals in der Glanzzeit der terroristischen Roten Brigaden hätten in Italien eben andere Bedingungen geherrscht.
Überdies, fügte der wohlinformierte Karageorgiu hinzu, habe der türkische Attentäter Papst Johannes Paul II. nur verwundet, und dieser habe dem Reuigen sogar verziehen.
Obwohl er als Grieche keine Ursache habe, sich ausgerechnet für die Türken einzusetzen, müsse er sagen, daß deren Verhalten sich damals sehr vorteilhaft von dem der Mafia unterschieden habe, die über die Missetaten der Banco Ambrosiano so verärgert gewesen sei, daß sie Papst Johannes Paul I. mausetot vergiftet habe.
Laura glaubte nur wenig davon - sie bemerkte, daß Mrs. Emerson still in sich hineinlächelte, aber es war deutlich, daß die anderen Piraten weniger Zweifel daran hatten. Die Geschichte paßte genau in den volkstümlichen Mythos ihrer eigenen Unternehmen. Sie schüttelten den Kopf in trauriger Nostalgie. Sogar Mr. Shaw sah beeindruckt aus.
Die Vorläufer der Islamischen Bank waren ähnlichen Kalibers. Die Syndikate der Triaden waren ein beherrschender Faktor. Die Triaden waren nicht nur kriminelle Bruderschaften, sondern hatten immer auch eine politische Seite, und das bereits seit ihren Ursprüngen als Rebellen gegen die Mandschudynastie im China des 17. Jahrhunderts.
Die Triaden hatten sich die Jahrhunderte mit Prostitution, Glücksspiel und Opiumhandel vertrieben, mit gelegentlichen Unterbrechungen zu Revolutionszwecken, wie etwa bei der Gründung der Chinesischen Republik im Jahre 1912. Aber
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