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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Ferienheim selbst interessiert zu sein. Sie hatten es vom Turm bis zum Kellergeschoß untersucht und schmeichelhafte Fragen über Computerentwürfe und Sandbeton gestellt. Durch dieses Interesse schienen sie Gefallen an David gefunden zu haben. Jeden Abend verbrachten sie mit ihm in der Bar.
    Laura half beim Abspülen und Aufräumen in der Küche. Das Personal hielt sich gut, trotz der Sicherheitserfordernisse. Sie fanden es aufregend, echte, lebendige Verbrecher im Haus zu haben. Mrs. Rodriguez hatte den Gästen bereits passende Spitznamen angehängt: Los Opios, Los Morfinos und, natürlich, Los Marijuanos. Winston Stubbs, El Jefe de los Marijuanos, war ein Favorit des Personals. Er sah nicht nur am ehesten wie ein echter Pirat aus, sondern hatte ihnen mehrmals Trinkgeld gegeben. Die Morfino-Europäer hingegen waren allgemein in Verschiß.
    Debra Emerson war der Namensgebung nicht entgangen: niemand nannte sie anders als ›La Espia‹, und alle stimmten darin überein, daß sie unheimlich sei. Poca loca. Aber sie gehörte zu Rizome, also war es in Ordnung.
    Laura war seit drei Tagen nicht joggen gewesen. Ihr Knöchel hatte sich gebessert, aber die erzwungene Einschränkung der Bewegungsfreiheit machte sie nervös und unruhig. Sie brauchte einen Beruhigungstrunk. Sie gesellte sich zu David und den Grenadinern in der Bar.
    David stellte seine Musiksammlung zur Schau. Er sammelte alte texanische Popmusik - Western Swing, Blues, Polkas, Conjunto-Grenzballaden. Ein sechzig Jahre altes Conjunto-Band ertönte aus der Lautsprecheranlage der Bar, schnelle Akkordeon-Riffs, untermalt von schrillem Gewinsel. Laura, die mit Synthesizern und russischer Popmusik aufgewachsen war, fand das Zeug noch immer höllisch unheimlich.
    Sie schenkte sich ein Glas roten Landwein ein und setzte sich zu den anderen an einen niedrigen Tisch. Der alte Mann saß zusammengesunken in einem Sessel und sah schläfrig aus. Sticky Thompson und die Kirchenfrau saßen zusammen auf einer Couch. Während der Debatten war Sticky sehr lebhaft gewesen, manchmal geradezu überdreht. In seinem Gepäck hatte er eine Thermosflasche mitgebracht, die, wie er behauptete, Acidophilus-Milch enthielt. Von dieser trank er jetzt. Laura fragte sich, was darin sein mochte. Sticky konnte nicht älter als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig sein, dachte sie. Ein wenig zu jung, um Magengeschwüre zu haben.
    Carlotta trank ein Glas Orangensaft. Sie hatte klargemacht, daß sie niemals Kaffee oder Alkohol anrührte. Sie saß in intimer Nähe an Stickys Seite, drückte ihren schwarzbestrumpften Schenkel gegen sein Bein und zupfte an den Locken in seinem Nacken. Carlotta hatte an den Diskussionen nicht teilgenommen, bewohnte aber Stickys Zimmer. Allem Anschein nach war sie von ihm hingerissen.
    Der Anblick von Carlotta und Sticky - junge Liebe, abgespielt mit 78 Umdrehungen pro Minute - verursachte Laura Unbehagen. Es war etwas schrecklich Falsches, Schwindelhaftes daran, als ob sie eine einstudierte Romanze aufführten. Sie zog einen Sessel heran und setzte sich zu David.
    »Nun, was halten Sie davon?« fragte David.
    »Es ist zumindest besser als diese jodelnden Cowboys«, sagte Sticky. Seine bernsteinfarbenen Augen schienen im Widerschein der Lampen zu leuchten. »Aber Sie können nicht sagen, daß es Ihre Wurzeln seien. Das ist Dritteweltmusik.«
    »Was Sie nicht sagen«, sagte David. »Es ist texanische Musik, und ich bin Texaner.«
    »Was die da singen, ist Spanisch, Mann.«
    »Na und? Ich spreche spanisch«, sagte David. »Vielleicht ist Ihnen nicht aufgefallen, daß unser Personal aus Latinos besteht.«
    »Oh, das habe ich bemerkt«, sagte Sticky. »Ich habe auch bemerkt, daß Sie oben im zweiten Stock schlafen«, fügte er hinzu und zeigte nach oben, »während Ihr Personal im Untergeschoß neben der Küche wohnt.«
    »Und Sie finden das nicht in Ordnung?« erwiderte David aufgebracht. »Würden Sie es besser finden, wenn die alten Leute Treppen steigen müßten? Während wir das Baby hier unten hätten, um unsere Gäste durch nächtliches Geschrei zu stören?«
    »Ich sehe, was ich sehe«, erwiderte Sticky. »Sie sagen, keine Lohnsklaven mehr, gleiche Rechte unter dem Dach der großen Mutter Rizome. Alle stimmen ab. Keine Chefs mehr - Koordinatoren. Keinen Vorstand, sondern einen Zentralausschuß. Aber Ihre Frau gibt trotzdem die Befehle, und das Personal kocht und putzt.«
    »Gewiß«, warf Laura ein. »Aber nicht für uns, Mr. Thompson. Für Sie.«
    »Das ist ein

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