Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Findest du sie attraktiv?«
    Er ließ den Kopf ins Kissen sinken. »Ein wenig«, sagte er. »Klar.«
    »Du hast immer zu ihr hingesehen.«
    »Ich glaube, sie war high von diesen Kirchenpillen«, sagte er. »Romance. Das Zeug wirkt irgendwie auf eine Frau, gibt ihr dieses Blühende. Selbst wenn es unecht ist.«
    »Ich könnte eine von diesen Kapseln nehmen«, sagte Laura. »Ich bin früher schon einmal verrückt nach dir gewesen. Es hat keinen bleibenden Schaden hinterlassen.«
    David lachte. »Was ist in dich gefahren? Ich konnte nicht glauben, daß du von dieser Milch trinken würdest. Kannst von Glück sagen, daß du keine kleinen blauen Hunde aus der Wand hüpfen siehst.« Er setzte sich im Bett aufrecht und wedelte mit der Hand. »Wie viele Finger?«
    »Vierzig«, sagte sie lächelnd.
    »Laura, du bist betrunken.« Er beugte sich über sie und küßte sie. Es war ein angenehmes Gefühl, sein Gewicht zu spüren. Einen warmen, festen, behaglichen Druck. »Gut«, sagte sie. »Gib mir noch zehn.« Sein Gesicht war über ihr, und sie roch den Wein in ihrem eigenen Atem.
    Er küßte sie zweimal, dann begann er sie zu liebkosen. Sie legte die Arme um ihn und schloß die Augen. Eine gute, starke, warme Hand. Sie entspannte sich, überließ sich der Stimmung.
    Ein hübsches Stück Biochemie, wie die Liebkosungen Lust erzeugten. Die mißtrauische Wachsamkeit, die sie durch den Tag begleitet hatte, verlor sich in dem neuen Gefühl. Sie begann ihn ernsthaft zu küssen, wie er es mochte. Es war gut so, und sie wußte, daß es ihm gefiel.
    Jetzt, dachte sie. Ein angenehm festes Hineingleiten. Sicherlich gab es nichts Besseres. Sie lächelte in Davids Gesicht auf.
    Dieser Ausdruck in seinen Augen hatte ihr anfangs bisweilen Angst gemacht und sie zugleich erregt. In diesem Ausdruck war der gutmütige, liebe David verschwunden und etwas anderes an seine Stelle getreten. Ein anderer Teil von ihm, ein tierhafter Teil. Etwas, das sie nicht beherrschen und das ihre eigene Beherrschung wegnehmen konnte. So war es in der Frühzeit ihres Verhältnisses gewesen, wild und stark und romantisch, und nicht ganz angenehm. Zu nahe der Ohnmacht, zu nahe dem Schmerz. Zu fremdartig…
    Aber nicht heute abend. Sie kamen mühelos in einen guten Rhythmus, der sich wie das Legen von Ziegeln zum Orgasmus aufbaute. Engel legten solche Ziegel in die Wände des Himmels. Ebene eins, Ebene zwei, Ebene drei, beinahe fertig jetzt, und da war es, mit dem Höhepunkt ging die Entspannung durch ihren Körper, und sie stöhnte vor Lust. Er war noch dabei, und sie ließ ihn gewähren, bis auch er kam.
    Er wälzte sich auf seine Seite des Bettes, und sie fühlte, wie sein Schweiß auf ihrer Haut abkühlte. Ein gutes Gefühl, intim wie ein Kuß. »Lieber Himmel«, sagte er, ohne etwas Bestimmtes ausdrücken zu wollen, nur als Ausdruck der Erleichterung. Er zog sich die Decke zum Kinn. Er war glücklich, sie waren Liebende, alles war in Ordnung. Bald würden sie schlafen.
    »David?«
    »Ja, Licht meines Lebens?«
    Sie lächelte. »Findest du, daß wir Spießer sind?«
    Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf auf dem Kissen und sah sie von der Seite an. »Bist du der Missionarsstellung überdrüssig?«
    »Sehr hilfreich. Nein, im Ernst.«
    Er hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Wir sind Leute, das ist alles. Wir haben ein Kind und einen Platz auf der Welt… ich weiß nicht, was das bedeutet.« Er gähnte, wälzte sich auf die Seite und legte ein Bein über das ihre. Sie löschte das Licht. Sie sagten nichts mehr, und in ein paar Minuten war er eingeschlafen.
     
    Das Baby weckte sie mit Gewimmer. Diesmal gelang es Laura, sich zum Aufstehen zu zwingen. David lag ausgestreckt, halb auf ihrer Hälfte.
    Sie tappte hinüber, hob Loretta aus der Wiege, wechselte die Windel. Das mußte ein Zeichen von Spießertum sein, dachte sie mißmutig. Sicherlich hatte die rebellische Avantgarde - Feinde des Systems - es nicht nötig, nachts Windeln zu wechseln.
    Sie wärmte Lorettas Babynahrung und versuchte sie mit der Flasche zu beruhigen, aber die Kleine ließ sich nicht trösten. Sie stieß mit den Beinen, drückte den Rücken durch und verzog das kleine Gesicht… Sie war ein sehr gutmütiger Säugling, wenigstens bei Tag, aber wenn sie nachts aufwachte, wurde sie ein Nervenbündel.
    Was sie von sich gab, war nicht ihr Hungergeschrei, noch ihr Einsamkeitsgeschrei, sondern ein zittriges, schrilles Geräusch, das irgendwie verriet, daß sie nicht wußte, was sie mit sich

Weitere Kostenlose Bücher