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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Witz«, sagte Sticky und richtete seinen heißen Blick auf Laura. »Sie plappern nach, was Sie in diesem Public Relations-Kursen an der Universität gehört haben. Diplomatisch, wie Ihre Mutter.«
    Darauf wurde es still. »Reg dich ab, Sticky«, murmelte der alte Mann. »Du erhitzt dich, Junge.«
    »Ja«, sagte David, noch immer gereizt. »Vielleicht sollten Sie sich mit dieser Milch lieber ein wenig zurückhalten.«
    »In dieser Milch ist nichts«, sagte Sticky. Er schob Laura, die ihm am nächsten saß, die Thermosflasche hin. »Probieren Sie.«
    »In Ordnung«, sagte Laura impulsiv. Sie nippte von der Milch. Sie war klebrig-süß. Nach einem Schluck gab sie die Thermosflasche zurück. »Das erinnert mich an was. David, hast du Loretta gefüttert?«
    David grinste; er bewunderte ihren Mut. »Ja.«
    Sie kam zu dem Schluß, daß wirklich nichts in der Milch war außer Zucker. Sie trank von ihrem Wein, um den Geschmack wegzuspülen.
    Plötzlich lachte Carlotta auf und löste die Spannung. »Du bist eine Nummer für sich, Sticky.« Sie rieb ihm die Schultern. »Es hat keinen Sinn, auf Herrn und Frau Eheleben herumzuhacken. Sie sind Spießer, das ist alles. Nicht wie wir.«
    »Du siehst es noch nicht, Mädchen. Du hast nicht gehört, wie sie oben geredet haben.« Sticky war mehr und mehr in Fahrt geraten und hatte darüber seinen karibischen Akzent verloren. Er klang beinahe wie ein Nachrichtensprecher, dachte Laura. Dieses klare, akzentfreie Fernsehenglisch. Die Sprache des internationalen Kommunikationsnetzes. Sticky nahm Carlottas Hand von der Schulter und hielt sie zwischen seinen Händen. »Die Spießer sind nicht mehr, was sie mal waren. Sie wollen jetzt alles - die ganze Welt. Eine Welt soll es sein. Ihre Welt.« Er stand auf und zog sie mit sich hoch. »Komm mit, Mädchen! Das Bett muß ausgeklopft werden.«
    »Buenas noches«, rief David ihnen nach. »Suenos dulces, cuidado con las chinches!« Sticky ignorierte ihn.
    Laura schenkte sich Wein nach und leerte das Glas mit einem Zug zur Hälfte. Der alte Mann öffnete die Augen. »Er ist noch jung«, sagte er.
    »Ich war unhöflich«, sagte David zerknirscht. »Aber ich weiß nicht, diese alte Platte vom imperialistischen Amerika - sie geht mir auf den Geist. Tut mir leid.«
    »Nicht Amerika, nein«, sagte der alte Mann. »Ihr Yankees seid nicht Babylon. Ihr seid heutzutage nur ein Teil davon. Babylon ist multinational.« Er seufzte. »Babylon kommt über uns, wo wir wohnen. Ich weiß, Ihnen gefällt es hier. Ich frage die alten Frauen, sie sagen, auch ihnen gefalle es. Sie sagen, Sie seien nett, Ihr Baby niedlich. Aber wo wächst es auf, dieses Baby? In Ihrer hübschen heilen Welt mit ihren hübschen Einheitsregeln? Sie wird vor alledem nicht weglaufen können. Denken Sie darüber nach. Bevor Sie über uns herfallen.« Er stand auf und gähnte. »Bis morgen, ja? Morgen.« Er ging.
    Es wurde still. »Laß uns zu Bett gehen«, sagte Laura endlich. Sie gingen hinauf.
    Das Baby schlief friedlich. Laura hatte den Monitor der Kinderwiege mit dem Uhrtelefon verbunden. Sie zogen sich aus und schlüpften ins Bett. »Ein seltsamer alter Kauz, dieser Stubbs«, sagte David. »Voller Geschichten. Er sagte, er sei 1983 in Grenada gewesen, als die US-Marineinfanterie über das Land herfiel. Der Himmel sei voll von Kampfhubschraubern gewesen, die auf alles gefeuert hätten, was zwei Beine hatte. Sie nahmen den Radiosender und spielten Yankee-Popmusik. Die Beach Boys, sagte er. Zuerst dachte ich, er meinte die Marineinfanterie. Beach Boys.«
    Laura runzelte die Stirn. »Du läßt dich von ihm beeindrucken, David. Dieser nette alte Sonderling und seine arme kleine Insel. Seine arme kleine Insel beißt ein großes Stück von uns ab. Diese schnoddrige Bemerkung über Mutter - sie müssen Dossiers über uns beide haben, Akten von der Stärke eines Telefonbuches. Und was hältst du von diesem Kirchenmädchen? Dieser Punkt gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Wir haben mit Grenada manches gemein«, sagte David. »Galveston war auch einmal ein Piratennest. Der gute alte Jean Lafitte, erinnerst du dich? 1817. Kaperte Schiffe, jo-ho-ho, eine Buddel voll Rum… und so weiter.« David grinste. »Vielleicht könnten wir zwei ein Piratennest gründen? Ein gemütliches kleines, das wir vom Konferenzraum aus betreiben könnten. Wir würden in Erfahrung bringen, wie viele Zähne Stickys Großmutter hat.«
    »Du solltest nicht einmal daran denken«, sagte Laura. »Dieses Mädchen, Carlotta.

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