Inseln im Netz
Schwarze ignorierte die Geste mit einem Blick unverhüllter Feindseligkeit.
Das Wiener Gespenst stellte seinen tragbaren Datenanschluß ab, nahm Lauras Hand und lächelte freundlich. Er war sehr hübsch, von beinahe femininem Aussehen - hohe slawische Backenknochen, eine lange glatte Mähne aschblonden Haares über einem Ohr, ein Filmstar-Leberfleck auf dem rechten Backenknochen. Er ließ ihre Hand zögernd los, als sei er versucht, sie zu küssen. »Ich bedaure, Sie unter solchen Umständen begrüßen zu müssen, Mrs. Webster. Ich bin Woroschilow. Dies ist meine lokale Verbindungsoffizierin, Hauptmann Baster.«
»Baxter«, sagte die Rangerin.
»Sie waren Zeugin des Angriffs, soviel ich weiß«, sagte Woroschilow.
»Ja.«
»Ausgezeichnet. Ich muß Sie befragen.« Er berührte einen kleinen vorstehenden Knopf am Rand seiner Sonnenbrille. Ein langes Fiberoptik-Kabel führte vom Ohrstück abwärts in die Weste seines Anzugs. Laura sah jetzt, daß die Sonnenbrille eine stereoskopische Videokamera war, die neue Art mit einer Million winziger Pixellinsen für bitgesteuerte Aufzeichnungen. Er filmte sie. »Die Vertragsbedingungen der Wiener Konvention verlangen, daß ich Sie über Ihre rechtliche Lage aufkläre. Erstens, Ihre Antworten werden aufgenommen, und Sie werden gefilmt. Ihre Erklärungen werden von den Signatarstaaten der Wiener Konvention archiviert. Es ist nicht erforderlich, daß ich die einzelnen Behörden aufzähle, noch die Menge oder Aufbewahrungsart der Daten dieser Ermittlung angebe. Ermittlungen nach den Bedingungen der Wiener Konvention unterliegen nicht der Informationsfreiheit und den Datenschutzgesetzen. Sie haben kein Recht auf einen Anwalt. Ermittlungen, die unter der Konvention durchgeführt werden, genießen Vorrang vor den Gesetzen Ihres Staates und Ihrer Nation.«
Laura nickte, ohne der Belehrung zu folgen. Sie kannte dies alles vom Fernsehen. Die ›Wiener Hitze‹, wie diese Ermittlungen genannt wurden, spielte eine große Rolle in den Fernsehkrimis. Da wedelten die Fernsehhelden mit holographischen Dienstausweisen, setzten sich über die Programme von Taxis hinweg und sausten bei der Verfolgung von Übeltätern mit Handsteuerung herum. Auch vergaßen sie nie ihr VideoMake-up. »Ich verstehe, Genosse Woroschilow.«
Woroschilow hob den Kopf. »Was für ein interessanter Duft. Ich bewundere die regionalen Küchen.«
Laura erschrak. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
»Etwas Pfefferminztee wäre fein. Oder schwarzer Tee, wenn Sie keinen Pfefferminztee haben.«
»Etwas für Sie, Hauptmann Baxter?«
Baxter funkelte zurück. »Wo wurde er getötet?«
»Mein Mann kann Ihnen dabei helfen…« Sie berührte ihr Uhrtelefon. »David?«
David erschien im Durchgang zum Speiseraum. Er sah die Polizei, wandte den Kopf und schoß dem Personal in dringendem Ton ein paar schnelle Bemerkungen in Grenzlandspanisch zu. Laura verstand nur los Rinches, die Ranger, aber schon scharrten Stühle, und Mrs. Delrosario erschien.
Laura machte sie bekannt. Woroschilow richtete die einschüchternde Videobrille auf jeden der Anwesenden. Es war ein unheimlich aussehendes Ding - aus einem bestimmten Winkel konnte Laura in den undurchsichtigen Linsen ein feingeätztes goldenes Spinnwebmuster erkennen. Keine beweglichen Teile. David ging mit der Rangerin hinaus.
Wenige Minuten später saß Laura mit dem Wiener Gespenst im Nebenbüro und nippte an ihrem Pfefferminztee. »Bemerkenswerte Ausstattung«, sagte Woroschilow und ließ sich in den Autositz sinken. Mit einer schnellen Bewegung aus dem Ellbogen stieß er einen Zoll elfenbeinfarbener Manschetten aus den anthrazitgrauen Ärmeln.
»Danke, Genosse.«
Woroschilow schob die Videobrille mit geübter Geste auf die Stirn und bedachte sie mit einem langen Blick aus samtigblauen Popstaraugen. »Sie sind Marxistin?«
»Wirtschaftsdemokratin«, sagte Laura. Woroschilow rollte die Augen in einer kurzen, wahrscheinlich ungewollten Anwandlung von Spott, und setzte sich die Brille wieder auf die Nase. »Hatten Sie vor dem heutigen Tag schon einmal von der FAKT gehört?«
»Niemals«, sagte Laura. »Nie gehört.«
»In der Erklärung werden die Gruppen aus Europa und Singapur nicht erwähnt.«
»Vielleicht wußten sie nicht, daß die anderen auch hier waren«, sagte Laura. »Wir - ich meine, Rizome - waren sehr sorgfältig auf Geheimhaltung bedacht. Mrs. Emerson, unsere Sicherheitsbeauftragte, kann Ihnen mehr darüber sagen.«
Woroschilow lächelte. »Die amerikanische
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