Inseln im Netz
Sein Scherz hatte sie aus der Benommenheit gerissen. »Kennt deine Verworfenheit keine Grenzen?«
»Alle Arten von Grenzen - solange ich an der Leitung bin«, sagte David. »Wie wir es von nun an für Gott weiß wie viele Tage sein werden. Wird unseren Stil verkrampfen, Schatz.«
»Mmm.« Laura berührte ihr Gesicht. Kein Video-Make-up. Sie zog ihre Kosmetika aus den Tiefen ihrer Reisetasche und stand auf. »Wir müssen unser Videozeug auflegen, bevor wir landen.«
»Wollen wir im Duschraum eine schnelle Nummer versuchen, im Stehen?«
»Wahrscheinlich verwanzt, dort drinnen«, sagte Laura und stolperte an ihm vorbei in den Gang.
Er hielt sie beim Handgelenk zurück und flüsterte zu ihr auf: »In Grenada gibt es Tauchsport, vielleicht können wir es unter Wasser machen. Wo niemand uns aufzeichnen kann.«
Sie starrte auf seinen ungekämmten Kopf. »Hast du die ganze Flasche Rum leergetrunken?«
»Sollte ich ihn verkommen lassen?«
»Wohl bekomm's«, sagte sie. Sie ging zur Toilette, stellte sich vor den unbarmherzigen Stahlspiegel im Vorraum und legte Make-up auf. Als sie zu ihrem Sitz zurückkehrte, setzte die Maschine zur Landung an.
4. Kapitel
Eine Stewardess begrüßte sie am Eingang zum. Flughafen Point Salines. Sie marschierten über den schäbigen Teppich zur Gepäckabfertigung. »Wer ist am Draht?« murmelte Laura.
(»Emily«,) sagte die Stimme in ihrem Ohrhörer. (»Ich bin bei euch.«) David hörte auf, an Lorettas Tragtasche herumzufummeln, und hob die Hand zum Ohrhörer, die Lautstärke zu regeln. Seine Augen waren, wie die ihrigen, hinter den golden schimmernden Videobrillen verborgen. Laura fühlte nervös nach ihrer Ausweiskarte und fragte sich, wie die Zollabfertigung sein würde. An den Wänden hingen staubige Plakate von weißen Stränden, einschmeichelnd grinsenden Einheimischen in zehn Jahre alten Modefarben, knalligen Aufschriften in Kyrillisch und japanischer Katakana.
Ein junger, dunkelhäutiger Soldat trat ihnen in den Weg. »Ehepaar Webster?«
»Ja?« Laura fixierte ihn mit der Videobrille, musterte ihn von oben bis unten. Er trug ein Khakihemd und Hosen, einen Gurt mit Pistolentasche, eine Baskenmütze mit Stern und eine Sonnenbrille. Unter den aufgekrempelten Ärmeln glänzte der ebenholzschwarze Bizeps. Er marschierte in seinen schwarzen Schnürstiefeln vor ihnen her. »Hier entlang!« Sie durchschritten rasch die Zollabfertigung, die Köpfe gesenkt, ignoriert von den wenigen, von Übermüdung gezeichneten Reisenden. Bei der Zollkontrolle zeigten sie ihre Ausweiskarten und wurden ohne Aufenthalt durchgewinkt.
»Ihr Gepäck wird später gebracht«, sagte der Begleiter. »Ein Wagen wartet.« Sie verließen das Abfertigungsgebäude durch einen Notausgang und eine rostende Metalltreppe. Dann standen sie im Freien aufrichtiger Erde und atmeten frische Luft. Es war feucht und dunkel, hatte geregnet. Der Wagen war eine weiße Hyundai-Luxuslimousine mit spiegelnden Einwegscheiben. Die Türen sprangen bei ihrer Annäherung auf.
Ihr Begleiter setzte sich ans Lenkrad; Laura und David stiegen mit dem Baby in den Fond. Die Türen schlossen sich wie die stählernen Luken eines Panzers, und der Wagen fuhr an. Die weiche Federung trug sie mit öliger Glätte über den zernarbten und überwachsenen Asphalt. Laura blickte zurück zum Flughafen - Lichtinseln über einem Dutzend Fahrradrikschas und rostzerfressenen manuell gesteuerten Taxis.
Die Klimaanlage hüllte sie in antiseptische Kühle. »Emily, kannst du uns hier drinnen hören?« sagte Laura.
(»Ein wenig Bildstörung, aber Audio ist gut«,) flüsterte Emily. (»Hübscher Wagen, nicht?«)
»Ja«, sagte David. Sie verließen die Flughafenzufahrt und bogen in eine palmengesäumte Fernstraße ein. David beugte sich nach vorn zu ihrem uniformierten Führer. »Wohin fahren wir, amigo?«
»Zu einem sicheren Haus«, sagte der Mann. Er wandte den Kopf und legte einen Ellbogen auf die Rücklehne. »Ungefähr fünfzehn Kilometer. Machen Sie sich's bequem, drehen Sie Ihre großen Yankeedaumen, versuchen Sie harmlos auszusehen.« Er nahm seine dunkle Brille ab.
»He!« sagte David überrascht. »Es ist Sticky!«
Sticky grinste. »Für Sie ›Hauptmann Thompson‹, Bwana.«
Stickys Haut war jetzt viel dunkler, als sie es in Galveston gewesen war. Eine Art Kunstfarbe, dachte Laura. Vielleicht zur Tarnung. Es schien am besten, nichts darüber zu sagen. »Es freut mich, zu sehen, daß Sie in Sicherheit sind«, sagte sie.
Sticky
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