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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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grunzte.
    »Wir hatten keine Gelegenheit Ihnen zu sagen«, fuhr Laura fort, »wie sehr wir bedauern, was Mr. Stubbs geschehen ist.«
    »Ich hatte zu tun«, sagte Sticky. »Diesen Burschen aus Singapur auf die Spur zu kommen.« Er starrte in Lauras Brille, erkennbar um Haltung bemüht, weil er wußte, daß er durch sie zu den in Atlanta sich abspulenden Videobändern sprach. »Dies wohlgemerkt, während unsere Rizome-Sicherheitsbeauftragte noch wie ein Huhn ohne Kopf herumlief. Die Singapur-Bande lief nach dem Mord als erste davon. Also verfolgte ich sie in der Dunkelheit. Sie rannten vielleicht achthundert Meter die Küste entlang, dann wateten sie hinaus zu einer schönen Yacht, die in sehr bequemer Reichweite wartete. Eine ansehnliche Ketsch; zwei weitere Männer an Bord. Ich habe die Registrierungsnummer.« Er schnaubte. »Gemietet von Mr. Lao Binh Huynh, einem sogenannten ›prominenten vietnamesisch-amerikanischen Geschäftsmann^ der in Houston lebt. Ein reicher Mann, dieser Huynh - besitzt ein halbes Dutzend Lebensmittelgeschäfte, ein Hotel, eine Speditionsfirma.«
    (»Sag ihm, wir werden der Sache sofort nachgehen«,) wisperte Emily.
    »Wir werden der Sache gleich nachgehen«, sagte David.
    »Da kommen Sie ein bißchen spät, Bwana David. Mr. Huynh verschwand vor ein paar Tagen. Jemand holte ihn aus seinem Wagen.«
    »Großer Gott«, sagte David.
    Sticky starrte mißmutig zum Fenster hinaus. Weitläufige, weißgetünchte Häuser tauchten im Scheinwerferlicht des
    Hyundai aus der Dunkelheit auf; die Wände glänzten wie Schellack. Ein einsamer Trunkenbold trollte sich von der Fahrbahn, als der Wagen einmal scharf hupte. Ein verlassener Marktplatz, Blechdächer, nackter Fahnenmast, eine Statue aus der Kolonialzeit, Stücke von zerbrochenen Strohkörben. Vier angebundene Ziegen - ihre Augen leuchteten im Scheinwerferlicht rot wie etwas aus einem Alptraum. »Nichts davon beweist etwas gegen die Bank in Singapur«, sagte Laura.
    Sticky war verärgert. »Wer redet von Beweisen? Glauben Sie, wir hätten vor, sie zu verklagen? Wir sprechen von Krieg!« Er hielt inne. »Zu komisch, daß Yankees heutzutage von Beweisen sprechen! Jemand sprengte ihr Schlachtschiff Maine in die Luft, nicht wahr - zwei Monate später überfiel der böse Onkel Sam Kuba. Beweise gab es keine.«
    »Nun, das zeigt Ihnen, daß wir unsere Lektion gelernt haben«, sagte David. »Die Invasion Kubas war ein wirklich schlimmer Mißerfolg. Schweinebucht. Eine große Erniedrigung für das imperialistische Yankeetum.«
    Sticky sah ihn mit staunender Geringschätzung an. »Ich spreche von achtzehnachtundneunzig, Mann!«
    David sah verdutzt aus. »Achtzehnachtundneunzig? Aber das war die Steinzeit.«
    »Wir vergessen nicht.« Sticky blickte zum Fenster hinaus. »Sie sind jetzt in der Hauptstadt, Saint George.«
    Vielstöckige Mietshäuser, wieder mit diesem seltsamen, plastikähnlich glänzendem Anstrich. Undeutliche, schwärzlich-grünliche Laubmassen drängten sich zwischen die hellen Gebäude am ansteigenden Hang, zottige Palmbüschel wie Rastafarierköpfe. Satellitenantennen und die Skelette von Fernsehantennen überzogen die Dächer. Die Schüsseln toter alter Antennen standen auf den zertrampelten Rasenflächen – Vogelbäder? überlegte Laura. »Das sind regierungseigene Gebäude«, sagte Sticky. »Sozialer Wohnungsbau.« Er zeigte den Hang hinauf. »Das ist Fort George, auf dem Hügel - der Premierminister wohnt da oben.«
    Hinter dem Fort blinkten Flugzeug-Warnlichter synchron von drei hohen Sendemasten: Rote Lichter huschten in rasender Schnelligkeit vom Boden aufwärts, als wollten sie sich in die Dunkelheit des interstellaren Raums hinausschleudern. Laura beugte sich hinüber und spähte durch Davids Fenster. Die undeutliche Masse der Festungswälle unter den huschenden Lichtern verursachte ihr Unbehagen.
    Laura war über Grenadas Premierminister unterrichtet worden. Er hieß Eric Louison, und seine ›Bewegung des Neuen Jahrtausends‹ regierte Grenada mit einem Einparteiensystem. Louison war über achtzig und zeigte sich kaum noch außerhalb seines Geheimkabinetts von Datenpiraten. Vor Jahren, nach seiner Machtergreifung, hatte Louison in Wien eine leidenschaftliche Rede gehalten und eine Erforschung des ›Phänomens der Optima Persona‹ gefordert. Das hatte ihm eine Menge unbehaglichen Spott eingetragen.
    Louison stand in der unseligen afro-karibischen Tradition der Herrscher-Patriarchen, die große Wodu {1} -Anhänger waren.
    Männer

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