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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Leitung!«
    Andrej blickte mit knapper Kopfbewegung über die Schulter. »Keine Aufregung, ja? Es ist nur ein Augenblick. Wir können nicht alles verdrahten.«
    »Oh«, sagte David. Er sah zu Laura. Sie hielt die Tragtasche mit dem Kind, während der Aufzug in die Tiefe sank. Ja, sie hatten den Schutz der Fernsehübertragung eingebüßt und standen hilflos; Andrej und Carlotta konnten sie jetzt überfallen, mit Injektionen außer Gefecht setzen… und dann würden sie irgendwo auf Tische geschnallt erwachen, wo von Drogen zerrüttete Wodu-Doktoren ihnen kleine vergiftete Zeitbomben in die Gehirne implantierten…
    Andrej und Carlotta standen plattfüßig da, mit dem geduldigen, rindviehhaften Ausdruck von Menschen in Aufzügen. Nichts geschah.
    Die Türen gingen auf. Laura und David eilten hinaus in den Korridor, die Hände an ihren Videobrillen und Ohrhörern. Lange Sekunden knisternder Störgeräusche. Dann ein schnelles, winselndes Stakkato von Datenimpulsen, und schließlich schrille ängstliche Rufe auf spanisch.
    »Alles ist in Ordnung, nur eine kleine Unterbrechung«, sagte Laura zu Mrs. Rodriguez. David beruhigte sie mit einer längeren Erklärung auf spanisch. Laura verstand die Worte nicht, aber Mrs. Rodriguez' Tonfall genügte ihr: Kopflose Angst einer kleinen alten Frau, zittrig und schwach. Natürlich machte die gute alte Mrs. Rodriguez sich nur Sorgen um sie; dennoch war Laura ärgerlich. Sie rückte an ihrer Brille und zog verlegen die Brauen zusammen.
    Andrej wartete auf sie und hielt ihnen - hysterische Dummköpfe - eine Seitentür auf. Jenseits davon war ein Waschraum mit Duschkabinen und Waschbecken aus Edelstahl unter grellem, bläulichem Licht, und Luft, die nach Seife und Ozon roch. Andrej zog die mit Gummidichtungen versiegelte Tür eines Kleiderspinds auf. Auf Regalen waren Stapel frischgebügelter Schutzkleidung in chirurgischem Grün: Kittel, Hosen mit Zugschnüren, Haarnetze und Atemmasken, sogar kleine Überschuhe zum Zubinden.
    »Mrs. Rodriguez«, sagte David mit merklicher Erregung. »Anscheinend brauchen wir einen Rizome-Gentechniker an der Leitung.«
    Andrej beugte sich über ein Waschbecken und ließ aus einem Spender ein paar Tropfen rosa Desinfektionsmittel in seine Handfläche fallen. Er rieb sich energisch damit ein. Neben ihm hielt Carlotta einen sterilen Pappbecher unter einen Wasserhahn. Laura sah sie eine rote Pille aus der Handtasche nehmen und mit der Leichtigkeit langer Übung hinunterschlucken und nachspülen.
    Loretta verzog das kleine Gesicht. Die Beleuchtung im Waschraum gefiel ihr nicht, oder vielleicht war es der Geruch. Sie wimmerte rhythmisch, dann begann sie zu schreien. Ihr klägliches Plärren hallte von den nackten Wänden wider und schreckte sie zu neuen krampfhaften Anstrengungen. »Aber Loretta«, schalt Laura sie. »Und du warst in letzter Zeit so brav!« Sie schaukelte Loretta mit der Tragtasche, aber die Kleine wurde nur tomatenrot und fuchtelte wild mit den dicken kurzen Ärmchen. Laura überprüfte die Windel und seufzte. »Kann ich hier drinnen die Windeln wechseln, Andrej?«
    Andrej rieb sich den Nacken ein; mit dem Ellbogen wies er zu einem Müllschlucker. Laura grub im Seitenfach der Tragtasche und zog die Ersatzwindel von der Rolle. »Das ist praktisch«, sagte Carlotta und spähte ihr über die Schulter. »Wie ein Fensterrollo.«
    »Ja«, sagte Laura. »Man drückt diesen Knopf an der Seite, und die Blasenzellenpolsterung füllt sich mit Luft. Das saugfähige Material bekommt Volumen.« Sie legte die Windel auf eine glatte Oberfläche, hob Loretta aus der Tragtasche und legte sie daneben. Das Baby schrie, als ginge es ihm ans Leben.
    Ihr zappelndes kleines Hinterteil war braun verklebt. Laura hatte längst gelernt, hinzuschauen, ohne es wirklich zu sehen. Sie säuberte es mit einem geölten Papiertaschentuch, ohne etwas zu sagen. Carlotta hatte es vorgezogen, unterdessen die Säuglingstragetasche zu untersuchen. »He, dieses Ding ist wirklich raffiniert! Wenn man diese Plastikklappen hochzieht, kann man ein Babybad daraus machen…«
    »Reichen Sie mir den Puder, Carlotta.« Laura puderte das Baby ein und verschloß die neue Windel. Loretta heulte wie eine verdammte Seele.
    David kam zu ihnen. »Geh du dich einreiben, ich nehme sie.« Loretta tat einen Blick auf die Chirurgenmaske ihres Vaters und schrie in Seelenangst. »Um Himmels willen«, sagte David.
    (»Sie sollten Ihren Säugling nicht in eine Gefahrenzone bringen«,) sagte eine neue Stimme

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