Inseln im Netz
überblickten.
Andrej führte sie hinein. In den Büros war es still und kühl, mit gefilterter Luft und elektrischer Beleuchtung. Es gab Schreibtische, Telefone, Terminkalender, und neben aufgestapelten Kartons mit Pepsi-Cola stand ein Kühlschrank. Wie ein Büro zu Hause in den Staaten, dachte Laura, umherblickend. Vielleicht zwanzig Jahre hinter der Gegenwart zurück…
Plötzlich ging eine Tür mit der Aufschrift PRIVAT auf, und ein hellhäutiger Mann kam rückwärts heraus. Er bediente eine Sprühdose mit Handpumpe. Als er sie bemerkte, wandte er sich um. »Oh! Hallo, Andrej…«
»Hallo«, sagte Laura. »Ich bin Laura Webster, das ist David, mein Mann…«
»Ach, Sie sind es! Wo haben Sie Ihr Baby?« Im Gegensatz zu allen anderen, die sie bisher gesehen hatte, trug der Fremde einen Anzug mit Krawatte. Es war ein alter Anzug in dem Schnitt, der vor zehn Jahren Mode gewesen war. »Sie wollten den kleinen Kerl nicht herunterbringen, wie? Also, es ist vollkommen sicher hier, Sie hätten sich nicht zu sorgen brauchen.« Er spähte ihnen in die Gesichter; das Licht glänzte auf seinen Brillengläsern. »Sie können die Atemmasken abnehmen, hier drin ist alles in Ordnung… Oder haben Sie vielleicht Grippe oder dergleichen?«
Laura zog ihre Maske unters Kinn. »Nein.«
»Ich muß Sie nur bitten, die… ah… die Toiletten nicht zu benutzen. Hier unten ist alles miteinander verbunden, verstehen Sie - alles versiegelt und in geschlossenen Kreisläufen zur Wiederverwendung vorgesehen. Wasser, Sauerstoff, was nicht alles! Wie in einer Raumstation.« Er lächelte.
»Dies ist Dr. Prentis«, sagte Andrej.
»Ja, natürlich!« sagte Prentis. »Ich bin hier unten sozusagen der große Zampano, wie Sie erraten haben werden… Sie sind Amerikaner, ja? Dann nennen Sie mich Brian.«
»Ein Vergnügen, Brian.« David bot ihm die Hand.
Prentis machte ein Gesicht. »Tut mir leid, das geht auch nicht… Möchten Sie ein Pepsi?« Er stellte seine Zerstäuberdose auf den Tisch und öffnete den Kühlschrank. »Wir haben hier ein paar Dinge, für einen kleinen Imbiß, Würstchen…«
»Ah, wir haben gerade gegessen…« David lauschte seinem unsichtbaren Gesprächspartner. »Trotzdem vielen Dank.«
»Alles plastikverschweißt, alles vollkommen sicher! Direkt aus dem Karton! Sind Sie sicher, daß Sie nichts mögen? Laura?« Prentis öffnete eine Dose Pepsi. »Nun gut, desto mehr bleibt mir.«
»Meine Kontaktperson an der Leitung«, sagte David, »möchte wissen, ob Sie der Brian Prentis sind, der die Arbeit über… tut mir leid, das habe ich nicht ganz verstanden - über Polysaccharide geschrieben hat?«
Prentis nickte knapp. »Ja, der bin ich.«
»Der Empfang hier unten ist ein bißchen kratzig«, entschuldigte sich David.
»Das war an der Staatsuniversität Ohio. Es ist lange her«, sagte Prentis. »Wer ist diese Person? Jemand aus Ihrem Unternehmen, nicht wahr?«
»Professor Millie Syers, eine Rizome-Gesellschafterin an der Staatsuniversität North-Carolina…«
»Leider nie von ihr gehört«, sagte Prentis. »Nun, was gibt es Neues in den Staaten? Wie finden Sie die Fernsehschau ›L.A. Live‹? Ich lasse mir keine Folge entgehen.«
»Sie soll sehr lustig sein«, sagte Laura. Sie hatte die Schau noch nie gesehen.
»Diese Burschen, die als die ›Breadhead Brothers‹ auftreten, bringen mich noch um. Dann wird man wirklich sagen können, der Prentis hat sich totgelacht.« Er legte eine Pause ein. »Wir können hier unten alles empfangen, wissen Sie. Alles, was ins Netz geht - nicht bloß aus den Staaten! Diese Kabelgesellschaften in den Staaten zensieren eine Menge. Aber die brasilianischen Exotica…« Er zwinkerte plump. »Und erst diese japanischen Sachen - huh!«
»Pornos verkaufen sich nicht mehr wie früher«, sagte Laura.
»Ja, sie sind spießig, muffige Langweiler«, sagte Prentis und nickte. »Davon halte ich nichts. Ich glaube an völlige Offenheit… Aufrichtigkeit, wissen Sie? Die Menschen sollten nicht mit Augenbinden durchs Leben gehen.«
»Können Sie uns erzählen, was Sie hier tun?« fragte Laura.
»Oh, gewiß. Wir verwenden auxotrophe E. coli, das sind meistenteils homoserine auxotrophe, obwohl wir mit doppelter Auxotrophie arbeiten, wenn wir an kitzlige Projekte herangehen… Und die Gärbottiche, diese Türme dort, das sind Saccaromyceen… Eine standardisierte Züchtung, auf die Pruteen das Patent hat, nichts besonders Fortschrittliches, nur erprobte Scop-Technik. Bei achtzig Prozent
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