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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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wohlauf, lassen Sie Carlotta in Ruhe…« Er murmelte hinter seiner Chirurgenmaske weiter, schüttelte den Kopf und redete in die Luft. Wie ein Verrückter. Es war komisch, wie eigentümlich es aussah, wenn man es nicht selbst tat. Auch dieser Durchgang sah eigentümlich aus: seltsam behelfsmäßig und unsolide, die Decke durchhängend, die Wände ausgebeult. Es war Pappe, das war es - braune Pappe und dünnes Drahtgeflecht, aber alles überzogen mit einer dicken, stahlharten Schicht durchsichtigen Kunststoffes. Die Deckenbeleuchtung war mit billigen Verlängerungskabeln verlegt, mit Klammern an die Decke geheftet und mit dick aufgetragenem Kunststoff versiegelt. Alles war zusammengeheftet, nirgendwo ein Nagel zu sehen. Laura berührte die Wand. Es war Qualitätskunststoff, glatt und hart wie Porzellan, und sie wußte vom bloßen Anfühlen, daß nicht einmal ein starker Mann mit einer Axt dieses Material einkerben konnte.
    Erstaunlich aber war der großzügige Umgang mit dem Zeug, das in der Herstellung sehr kostspielig war. Aber vielleicht nicht so kostspielig, wenn man keine Lohnnebenkosten abführte, keine Sicherheitsinspektionen durchführte, keine Brandschutzsicherungen vorsah und nicht jedes Konstruktionsdetail in dreifacher Ausfertigung archivierte.
    Aber die Sicherheitsvorschriften für biotechnische Anlagen waren noch um einiges strenger als jene für Anlagen der Atomindustrie. Plutonium war sicherlich gefährlich, aber wenigstens konnte es nicht aus einem Bottich springen und von selbst weiterwachsen.
    »Dieser Gang ist aus Pappe!« sagte David.
    »Nein, es ist Kunstharz über Pappe«, sagte Andrej. »Sehen Sie diesen Rohrstutzen? Heißdampf. Wir können diesen Gang jederzeit auskochen. Nicht, daß es notwendig wäre, versteht sich.«
    Am Ende des Gangs blieben sie vor einer großen, versiegelten Luke stehen. Sie trug das internationale Gefahrenzeichen für biotechnische Anlagen: den schwarzgelben Kreis mit drei Hörnern. Guter graphischer Entwurf, dachte Laura, während Andrej das Rad zum Öffnen der Luke drehte; in seiner eleganten Ausführung ebenso beängstigend wie ein Totenschädel mit gekreuzten Knochen.
    Sie traten durch und sahen sich auf einer Art Treppenabsatz aus lackiertem Bambus. Er befand sich ungefähr zwölf Meter über dem Boden und gewährte freien Ausblick in eine Halle von den Ausmaßen eines Flugzeughangars. Offenbar hatten sie einen Laderaum des Supertankers erreicht; der Boden voll von Maschinen, Rohrleitungen, Bottichen und Kesseln. Treppen und Laufgänge waren ebenso wie ihr Standort an ein haushohes Schott in ihrem Rücken geschweißt. Das nächste Schott erhob sich jenseits der Halle, eine mächtige graue Wand aus Stahl, versteift durch Stahlträger und Gitterwerk. Sie trug eine riesige mehrfarbige Wandmalerei: Männer und Frauen in Baskenmützen und Arbeitshemden, die unter Bannern marschierten, die gemalten Augen waren groß wie Fußbälle, die braunen Arme gerundet und monolithisch, schimmernd wie Wachs im seltsamen Unterwasserlicht.
    Die unheimliche Beleuchtung der Halle entströmte flüssigen Leuchtern. Sie bestanden aus Stahlröhren mit Glasböden, die mit kühler, flüssiger Strahlung gefüllt waren. Dickem, weißem, leuchtendem Sirup. Das Licht warf unheimliche Schatten auf die Beulen und Unebenheiten der beschichteten Pappdecke.
    Es war laut hier: Stampfen von Maschinen, Sausen und Gurgeln, Knattern von Kompressoren, Singen von Elektromotoren und Zischen von Dampf. Die feuchtwarme Luft roch angenehm, wie gekochter Reis. Unterwandert von seltsamen Gerüchen - dem beißenden Geruch von Säure, dem Kreidestaubgeruch von Kalk. Der Drogentraum eines Installateurs: große Türme aus geripptem Edelstahl, drei Stockwerke hoch, eingehüllt in Röhrensysteme. Rote und grüne Anzeigeleuchten wie glänzender billiger Modeschmuck, Dutzende von Bedienungsmannschaften in weißen Papieroveralls, die Meßgeräte überprüften, sich über lange, glasbedeckte Tröge mit dampfendem, brodelndem Haferbrei beugten…
    Sie folgten Andrej die Treppe hinunter. David nahm alles sorgsam auf und murmelte in seine Chirurgenmaske. »Warum tragen die Leute keine Schutzkleidung?« fragte Laura.
    »Wir tragen Schutzkleidung«, erklärte Andrej. »Wir haben wilde Bakterien auf der Haut.« Er lachte. »Fassen Sie aber trotzdem nichts an.«
    Drei Treppen abwärts, noch über dem Hallenboden, zweigten sie auf einen Laufgang ab. Er führte zu den Glasfronten von Büros, die den gesamten Produktionsbereich

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