Inseln im Netz
leicht ab.‹ Und sie hatte recht!« Er riß sich die Brille von der Nase. »Gottverdammich, sie war die größte Freude, die ich je hatte.«
»Tut mir leid«, sagte Laura in die plötzliche peinliche Stille. »Verloren Sie Ihre Stellung?«
»Nicht gleich. Aber sie entzogen mir alle wichtigen Projekte, wollten auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren und mich ihren verdammten Psychotherapeuten übergeben… Ein Forschungslabor ist wie ein Kloster. Denn was soll werden, wenn Sie durchdrehen, wissen Sie, wenn Sie mit einer Handvoll Gelee in der Tasche hinauslaufen… gefährlichem Gelee… patentiertem Gelee.«
»Ja, es ist hart«, sagte David. »Ich kann mir denken, daß einem nicht viel gesellschaftliches Leben bleibt.«
»Nun, um so größere Dummköpfe sind sie«, sagte Prentis, ein wenig ruhiger jetzt. »Leute mit Phantasie… Visionäre… wir brauchen Ellbogenraum. Raum, um uns zu entspannen. Ein Großunternehmen wie Biogen verknöchert natürlich, fällt unter die Bürokraten. Drohnen. Deshalb kommen sie nicht weiter.« Er setzte die Brille wieder auf. Dann setzte er sich auf den Schreibtisch und baumelte mit den Füßen. »Eine Verschwörung, das ist es. All diese Netz-Multis, jeder hat den anderen in der Tasche. Es ist ein abgeschotteter Markt, kein echter Wettbewerb. Darum sind sie fett und träge. Aber nicht hier.«
»Wenn es aber gefährlich ist…« fing Laura an.
»Gefährlich? Teufel noch mal, ich werde Ihnen zeigen, was gefährlich ist.« Prentis' Miene hellte sich auf. »Bleiben Sie da, ich komme gleich wieder, das müssen Sie sehen. Jeder sollte es sehen.«
Er glitt vom Schreibtisch und verschwand im Hinterzimmer.
Laura und David tauschten unbehagliche Blicke. Sie schauten zu Andrej. Der nickte. »Er hat recht, wissen Sie.«
Prentis kam wieder herein. Er schwang einen meterlangen Krummsäbel.
»Gott im Himmel!« murmelte David.
»Der ist aus Singapur«, sagte Prentis. »Sie machen die Dinger für die Märkte der Dritten Welt. Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?« Er schwenkte den Krummsäbel, und David wich zurück. »Es ist ein Buschmesser, eine Machete«, sagte Prentis in ungeduldigem Ton. »Sie sind Texaner, richtig? Sie müssen schon mal eine Machete gesehen haben.«
»Ja«, sagte David. »Um Unterholz und Gestrüpp zu schlagen…«
Prentis holte über den Kopf aus und schlug mit der Machete zu. Sie biß mit einem Kreischen in den Schreibtisch. Die Schreibtischecke flog weg und fiel zu Boden.
Die Klinge der Machete hatte die hölzerne Schreibtischplatte glatt durchschlagen. Sie hatte ein zwanzig Zentimeter langes Dreieck der Schreibtischplatte abgeschnitten, dazu zwei Abschnitte der Schreibtischwand und die rückseitige Ecke einer Schublade.
Prentis hob das abgetrennte Stück auf und stellte es wie eine hölzerne Pyramide auf den Schreibtisch. »Nicht ein Splitter! Möchten Sie selbst probieren, David?«
»Nein danke.«
Prentis grinste. »Nur zu! Mit einem Kraftkleber kann ich es gleich wieder reparieren; ich tue das die ganze Zeit. Wollen Sie wirklich nicht?« Er hielt die Machete locker in der Hand, auf Armeslänge von sich gestreckt, und ließ sie fallen. Sie sank mehr als einen Zentimeter in die Tischplatte.
»Ein schlimmes Buschmesser«, sagte Prentis und wischte sich die Hände. »Vielleicht denken Sie, es sei gefährlich, aber Sie sehen noch nicht alles. Wissen Sie, was das ist? Das ist Bauerntechnik, Bruder. Es ist Raubbau, Rodungslandwirtschaft. Können Sie sich vorstellen, was das aus den letzten Resten der tropischen Regenwälder machen wird? Es wird aus jedem Strohhut-Brasilianer eine Waldvernichtungsmaschine machen. Die gefährlichste Biotechnik der Welt ist ein Kerl mit einer Ziege und einer Axt!«
»Axt, zum Teufel«, platzte David heraus. »Das Ding ist ein Monstrum! Es kann nicht legal sein!« Er beugte sich näher und führte seine Videobrille nahe heran. »Ich sehe, daß ich dies nie durchdacht habe… Ich weiß, wir verwenden Keramikklingen in Werkzeugmaschinen, aber das ist in Fabriken mit Sicherheitsvorrichtungen! Man kann diese Dinger nicht einfach an alle und jeden verkaufen? Das ist ja wie die Verteilung von Flammenwerfern!«
»Erzählen Sie das nicht uns, David«, sagte Andrej. »Erzählen Sie es Singapur. Das sind radikale technische Kapitalisten. Wälder sind denen gleichgültig - sie haben keine Wälder zu verlieren.«
Laura nickte. »Das ist nicht Landwirtschaft, das ist massenhafte Zerstörung. Das muß gestoppt werden.«
Prentis schüttelte
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