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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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weiß, wo meine Loyalitäten liegen. Ebenso wie Sie wissen, wo Ihre liegen.«
    »Loyalität gibt Ihnen nicht das Recht, mein Familienleben zu mißachten.«
    »Familienleben?« sagte Carlotta. »Wenn das Familienleben Ihnen soviel bedeutete, würden Sie sich zu Hause in Texas um Ihren Mann und Kind kümmern und nicht beide hierher in die Schußlinie schleifen.«
    »Wie können Sie so etwas behaupten!« empörte sich Laura. »David glaubt so sehr daran wie ich.«
    »Nein, tut er nicht. Sie haben ihn in diese Sache hineingedrängt, damit Sie in Ihrer Unternehmenshierarchie eine Sprosse höherkriechen können.« Sie hob die Hand, als Laura widersprechen wollte. »Laura, er ist bloß ein Mann. Sie müssen ihn von den Waffen wegbringen. Das alte Übel ist wieder los. Männer sind voll vom Gift des Krieges.«
    »Das ist dummes Zeug!«
    Carlotta schüttelte den Kopf. »Davon verstehen Sie nichts, Laura. Sind Sie bereit, Ihren Körper zwischen eine Waffe und ein Opfer zu werfen? Ich bin es. Aber Sie sind es nicht, nicht wahr? Sie haben keinen Glauben und kennen keine Treue.«
    »Ich bin David treu«, sagte Laura mit gepreßter Stimme. »Ich bin meinem Unternehmen treu. Was ist mit Ihnen? Was ist mit dem treuen alten Sticky?«
    »Sticky ist ein Büffelsoldat«, sagte Carlotta. »Kanonenfutter, voll vom Übel des Krieges.«
    »So ist es also«, sagte Laura. »Sie lassen ihn einfach fallen? Schreiben ihn ab?«
    »Ich bin jetzt weg von dem Romantischen«, sagte Carlotta, als erkläre das alles. Sie griff in ihr Gewand und gab Laura eine Röhre mit roten Pillen. »Nehmen Sie die, ich brauche sie jetzt nicht - und hören Sie auf, so albern zu sein. All dieser Scheiß, den Sie so wichtig finden - zwei von diesen Dingern bringen Sie auf andere Gedanken. Gehen Sie nach Hause, Laura, und kümmern Sie sich um Ihren Mann und Ihr Kind. Kriechen Sie mit ihm unter die Decke und bleiben Sie, wo Sie nicht zu Schaden kommen werden.«
    Carlotta verschränkte die Arme auf der Brust und weigerte sich, die Röhre mit den Pillen zurückzunehmen. Laura steckte sie ärgerlich in die Hosentasche. »Also war es in Wirklichkeit völlig künstlich«, sagte sie. »Sie hatten nie eine echte Empfindung für Sticky.«
    »Ich beobachtete ihn für die Kirche«, sagte sie. »Er tötet Menschen.«
    »Das kann ich nicht glauben«, sagte Laura. »Ich habe für Sticky nicht viel übrig, aber ich akzeptiere ihn als einen Menschen. Er ist kein Ungeheuer.«
    »Er ist ein Berufskiller«, sagte Carlotta. »Er hat mehr als ein Dutzend Menschen umgebracht.«
    »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Was haben Sie erwartet - daß er mit einer Axt herumlaufen und sabbern würde? Hauptmann Thompson folgt nicht Ihren Regeln. Die Houngans haben seit Jahren an ihm gearbeitet. Er ist kein Mensch, den man ›akzeptieren‹ kann - er ist wie ein scharfer Gefechtskopf! Als Sie herkamen, wollten Sie etwas über Drogenlabors wissen - Sticky Thompson ist ein Drogenlabor.«
    »Was soll das heißen?«
    »Daß seine Gedärme voller Bakterien sind. Spezieller Bakterien - kleiner Drogenerzeuger. Woher, meinen Sie, hat er diesen Spitznamen - Sticky? Er braucht nur einen Karton Joghurt zu essen, das verwandelt ihn in eine Tötungsmaschine.«
    »Eine Tötungsmaschine?« sagte Laura. »Ein Karton Joghurt?«
    »Es liegt an den Enzymen. Die Bakterien verzehren sie. Machen ihn schnell, stark, unempfindlich gegen Schmerzen und Zweifel. Sie werden ihn nach Singapur schicken, und diese kleine Insel kann mir schon heute leid tun.«
    Sticky Thompson - ein drogenverseuchter Meuchelmörder? – Sie konnte es nicht fassen. Aber wie sahen Berufskiller aus? Laura wußte nicht, was sie denken sollte. »Warum haben Sie mir dies alles nicht früher erzählt?«
    Carlotta bedachte sie mit einem mitleidigen Blick. »Weil Sie eine Bourgeoise sind, Laura.«
    »Hören Sie auf!« sagte Laura. »Was macht Sie so anders?«
    »Sehen Sie sich an«, sagte Carlotta. »Sie sind gebildet. Sie sind klug. Sie sind schön. Sie sind mit einem Architekten verheiratet. Sie haben ein entzückendes Baby und Freunde in hohen Stellen.«
    Ihre Augen wurden schmal; sie begann zu zischen: »Und dann sehen Sie mich an. Ich bin eine verkrachte Existenz. Häßlich. Keine Familie. Mein Vater fickte und verprügelte mich bei jeder Gelegenheit. Ich habe keinen Schulabschluß, kann kaum lesen und schreiben. Ich bin diselxisch, oder wie man es nennt. Haben Sie sich je Gedanken darüber gemacht, was aus Menschen wird, die nicht lesen und schreiben

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