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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Pier, die von den Spiegelungen auf der Wand der Yacht flimmerte, hingen alte Auto-und Lastwagenreifen aufs Wasser herab, und die Fender machten schwarze Ringe in die Schwärze unter dem Zementbelag. Hornhechte schwebten, angezogen vom Licht, in der Strömung, lang, dünn, grün wie das Wasser, mit schleiernden Schwanzflossen. Sie fraßen nicht, spielten nicht, hielten sich nur und staunten ins Licht.
    Sie warteten an Bord von Johnny Goodners Yacht auf Roger Davis. Die ‹Narwhal› lag mit dem Kopf im Strom, und hinter ihr, Heck an Heck, lag die Yacht der Leute, die den ganzen Tag bei Bobby verbracht hatten. Johnny Goodner saß auf dem Achterdeck in einem Sessel, die Beine über einen zweiten gestreckt. Er hielt seinen Tom Collins in der Rechten und in der anderen Hand eine lange grüne Pfefferschote.
    «Das ist fabelhaft», sagte er. «Ich beiße immer ein kleines Stück ab, bis mir das Maul brennt, und dann lösch ich’s mit dem da…»
    Er nahm den ersten Bissen, schluckte, zog die Luft über die hochgezogene Zunge und nahm einen langen Zug aus seinem Glas. Er leckte sich mit der dicken Unterlippe seine dünne irische Oberlippe, und seine grauen Augen lächelten. Seine Mundwinkel waren hochgezogen, so daß es immer aussah, als wollte er lachen oder als hätte er eben gelacht, aber in Wahrheit verriet sein Mund nichts, bis man merkte, wie dünn die Oberlippe war. Was man beobachten mußte, waren seine Augen. Er hatte die Figur eines Mittelgewichtlers, der ein bißchen schwer geworden war, aber er sah glänzend aus, wie er hier lag, in dem Stuhl, und das ist eine Lage, die niemandem steht, der nicht mehr wirklich in Form ist. Sein Gesicht war braun, seine Nase schälte sich, und über der zurückfließenden Stirn ging ihm das Haar aus. Er hatte eine Narbe am Kinn, die man für ein Grübchen hätte halten können, wenn sie mehr in der Mitte gesessen hätte, und wenn man genau hinsah, konnte man sehen, daß ihm das Nasenbein eingeschlagen worden war. Seine Nase war nicht richtig flach, sie sah nur aus, als wäre sie von einem von den neuen Bildhauern gemacht, die direkt in den Stein arbeiten, und er hätte einen Millimeter zuviel davon weggeschlagen.
    «Tom, Rumtreiber, was hast du den ganzen Tag gemacht?»
    «Gearbeitet. Richtig gearbeitet.»
    «Gearbeitet…» sagte er und biß wieder von seiner Chilipfefferschote ab. Die Schote war eine Spanne lang, dürr und runzelig. Johnny Goodner sagte: «Es brennt bloß beim erstenmal. Wie bei der Liebe.»
    «Geh mir weg mit diesem Chilizeugs. Es brennt rauf wie runter.»
    «Und die Liebe?»
    «Geh mir weg damit», sagte Thomas Hudson.
    «Sentimentaler Quark. Was haben sie bloß aus dir gemacht! Du hast die Schöpsdrehe.»
    «Wir haben keine Schafe auf der Insel, Johnny.»
    «Dann ist’s eben der Krabbenfischerknall», sagte Johnny. «Ich bin dagegen, daß es dich erwischt. Versuch’s lieber mit dem Chilizeugs.»
    «Ich hab schon», sagte Thomas Hudson.
    «Ich weiß, was du hinter dir hast», sagte Johnny, «aber bleib mir vom Halse mit deinem berühmten Vorleben. Wahrscheinlich hast du dir’s selber ausgedacht. Ich weiß schon. Wahrscheinlich bist du der Mann, der den ganzen Quark erst in Feuerland eingeführt hat, ganze Kamelladungen von diesem Unsinn. Aber ich bin nicht von gestern. Hör mal, Tommy: Ich hab diese Pfefferschoten schon mit Lachs probiert, mit Stockfisch, mit chilenischem Bonito, mit mexikanischer Schildkrötenbrust, mit Truthahn und mit Leberflecken. Sie stopfen ja alles mögliche hinein, und ich hab das alles probiert und bin mir wie ein Pascha vorgekommen. Aber das sind Extravaganzen. Diese langen, verhutzelten, doofen Chilischoten, die mit nichts gefüllt sind und auch gar nichts versprechen, und ein Schuß Kalamare-Sauce darüber, das ist das einzig Richtige. Du Aas…» Er zog wieder die Luft ein über seine hochgebogene Zunge. «Jetzt war’s zuviel…»
    Er nahm einen richtigen langen Zug von seinem Tom Collins.
    «Deshalb muß ich nämlich trinken», erklärte er, «ich muß mir’s Maul abkühlen. Trinkst du nichts?»
    «Kann ich einen Gin and Tonic kriegen?»
    «Fred!» rief Johnny. «Noch einen Gin and Tonic für den Bwana M’Kubwa.»
    Fred, ein Junge von der Insel, den Johnnys Bootsmann angeheuert hatte, brachte das Glas.
    «Hier, Mr. Tom.»
    «Danke, Fred. God bless the Queen!» sagte er, und sie tranken.
    «Und wo steckt der Puffdirektor?»
    «Oben im Haus. Wird schon kommen.»
    Er aß noch eine Pfefferschote, ohne weitere Bemerkungen,

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