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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Bruder.»
    «Ich weiß», sagte Thomas Hudson.
    Sie rollten die schlammige Straße zum Dorf hinunter und bogen auf den Central Highway ein. Sie fuhren an den Häusern des Dorfes vorbei, an den beiden Krämerläden mit ihren Auslagen und aufgereihten Flaschen und den Regalen voller Konservendosen zu beiden Seiten, und dann waren sie an der letzten Bar vorbei und an dem riesenhaften spanischen Lorbeerbaum, dessen Geäst die ganze Straße überspannte, und fuhren den alten, kopfsteingepflasterten Highway hinunter. Die Straße führte drei Meilen zwischen hohen alten Bäumen bergab, vorbei an Kindergärten, kleinen Gehöften, großen Gütern mit verwahrlosten spanischen Herrenhäusern, die in einzelne Wohnungen aufgeteilt waren, während man die alten, hügeligen Weiden mit Feldwegen zerschnitten hatte, die sich im Gras der Hügelhänge verliefen, und das Gras war braun von der Dürre. Das einzige jetzt grüne Stück Land in dieser Gegend, in der es so viele verschiedene Grüns gab, zog sich an den Bewässerungsgräben hin, wo die hohen grauen Königspalmen mit den grünen, sturmzerzausten Wipfeln standen. Es wehte von Norden her, und es war ein trockener, harter und kalter Wind. Andere Nordstürme mußten das Wasser in der Florida-Straße abgekühlt haben, denn der Sturm jetzt brachte weder Nebel noch Regen.
    Thomas Hudson trank einen Schluck von dem eiskalten Tom Collins, der nach frischer Zitrone schmeckte und nach Kokosnußwasser, das so viel aromatischer war als jedes Sodawasser, und er schmeckte den starken Gordon Gin auf der Zunge und schluckte ihn herunter und fand sich belohnt, und der Angostura gab allem die Spur Bitterkeit und die Farbe. Es schmeckt so gut, wie ein volles Segel sich anfühlt, dachte er. Es war ein verdammt guter Drink. Der Korkbehälter schützte das Eis vor dem Schmelzen, so daß es den Drink nicht verdünnte, und es machte ihm Spaß, ihn in der Hand zu halten, und er sah über das Land hin während der Fahrt in die Stadt.
    «Warum kuppeln Sie nicht aus und sparen Benzin?»
    «Wenn Sie wollen…» erwiderte der Chauffeur, «aber es ist Regierungsbenzin.»
    «Kuppeln Sie aus, damit Sie es lernen», sagte Thomas Hudson. «Dann können Sie’s, wenn nicht die Regierung das Benzin bezahlt, sondern wir.»
    Sie hatten jetzt die Niederung erreicht, wo links die Gärtnereien lagen und rechts die Häuser der Korbflechter.
    «Einer von den Korbflechtern muß mal heraufkommen und die große Matte in der Halle ausbessern.»
    «Si, Señor.»
    «Kennen Sie einen?»
    «Si, Señor.»
    Der Chauffeur antwortete kurz und dienstlich, denn er fühlte sich wegen des Auskuppelns getadelt. Thomas Hudson konnte ihn nicht leiden, weil er dumm war, eitel, faul, nie Bescheid wußte, von den Motoren nichts verstand und die Wagen verkommen ließ. Trotz aller Fehler war er ein hervorragender Fahrer, das heißt, er konnte geistesgegenwärtig den Wagen durch den neurotischen und ungeregelten kubanischen Verkehr fädeln. Außerdem wußte er zuviel von den Unternehmungen, als daß Thomas Hudson ihn hätte hinauswerfen können.
    «Ist Ihnen warm genug mit dem Sweater?»
    «Si, Señor.»
    Geh zum Teufel, dachte Thomas Hudson, wenn du es weiter so machst, werfe ich dich doch noch hinaus.
    «Haben Sie es zu Hause sehr kalt gehabt, gestern nacht?»
    «Es war schrecklich. Es war horroroso. Sie können es sich nicht vorstellen, Mr. Hudson.»
    Der Frieden war wiederhergestellt, und sie fuhren über die Brücke, wo der Rumpf des Mädchens gefunden worden war, das von ihrem Geliebten, einem Polizisten, ermordet und in sechs Stücke zerhackt worden war, und alle waren in braunes Packpapier eingewickelt und über den ganzen Highway verstreut gewesen. Zur Zeit war in dem Fluß kein Wasser, aber an jenem Abend hatte er Wasser geführt, und es hatte geregnet, und die Autos hatten sich eine halbe Meile weit gestaut, und ihre Fahrer hatten auf die berühmte Stelle gestarrt. Am nächsten Morgen hatten die Zeitungen auf den Titelblättern Fotografien des Torsos gebracht, und in einem der Berichte stand zu lesen, daß das Mädchen ohne Zweifel eine nordamerikanische Touristin gewesen sei, denn niemand, der in den Tropen lebe, könne in diesem Alter körperlich noch so wenig entwickelt sein. Woher sie so genau wußten, wie alt sie wirklich gewesen war, hatte Thomas Hudson nie herausbekommen, denn der Kopf war erst einige Zeit später im Fischereihafen von Batabano angetrieben. Tatsächlich erreichte der Torso, wie er auf den Titelseiten abgebildet

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