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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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war, die besten Stücke der griechischen Kunst nicht. Am Ende war sie dann doch keine nordamerikanische Touristin gewesen, und es stellte sich heraus, daß sie alle Attraktionen, die sie besaß, in den Tropen entwickelt hatte. Immerhin hatte Thomas Hudson eine Zeitlang nicht mehr auf der Straße oder im freien Gelände außerhalb der Finca trainieren können, weil jeder, der lief oder sich auch nur beeilte, in Gefahr war, daß ihn die Leute verfolgten und schrien: «Da läuft er, das ist er! Das ist er, der sie zerstückelt hat!»
    Jetzt hatten sie die Brücke hinter sich und fuhren den Abhang hinauf nach Luyano, wo man links El Cerro liegen sah, was Thomas Hudson immer an Toledo erinnerte. Nicht an El Grecos Toledo, sondern an einen Stadtteil von Toledo, von einem abgelegenen Hügel aus gesehen. Der Wagen stieg, und jetzt fuhr er über die Höhe, und Thomas Hudson sah wieder Toledo daliegen. Einen Moment lang war es wirklich Toledo, und dann senkte sich die Straße, und Kuba schob sich wieder heran.
    Das war jetzt das Stück der Straße, das er nicht mochte, wenn er in die Stadt fuhr, und dieses Stücks wegen nahm er sich immer den Drink mit. Er trank ihn gegen die Armut, gegen den Schmutz, gegen den Staub von vierhundert Jahren und die Rotznasen der Kinder, gegen die abgebrochenen Palmen am Straßenrand und die Dächer, die aus Konservenbüchsenblech zusammengenagelt waren, gegen das Elend der Syphilis, die nicht behandelt wurde, gegen den Unrat in alten Flußbetten und die Hühner, die so verlaust waren, daß sie keine Federn an den Hälsen hatten, gegen die Krätze im Genick der alten Männer und den Altweibergeruch und die brüllenden Radios. Es ist eine Schweinerei, was ich mache, dachte er. Ich sollte mir das alles einmal genau ansehen und etwas dagegen tun. Statt dessen hast du deinen Drink bei dir, wie sie früher Riechsalz bei sich führten. Nein, ganz so ist es nicht, dachte er. Es hat ein bißchen davon, aber ich mische es mit der Sauferei auf Hogarths Gin Lane. Natürlich drückst du dich, indem du trinkst, aber du mußt schließlich zum Colonel. Du trinkst immer gegen irgend etwas an. Oder für irgend etwas, dachte er. Stimmt nicht. Oft genug trinkst du bloß vor dich hin, und heute wirst du eine ganze Menge vor dich hin trinken.
    Er nahm einen großen Schluck aus dem Glas, und es schmeckte sauber und kalt und frisch in seinem Mund. Es war wirklich der schlimmste Teil der Strecke. Die Straßenbahn fuhr hier, die Autos drängten sich, Stoßstange gegen Stoßstange am Eisenbahnübergang, wenn die Schranken geschlossen waren. Voraus und hinter den Kolonnen der Autos und Lastwagen, die zum Stehen gekommen waren, lag der Hügel mit der Burg von Atares, wo sie Colonel Crittenden und die anderen erschossen hatten, als die Landung bei Bahia Honda mißlungen war. Das war vierzig Jahre vor seiner Geburt gewesen, und sie hatten 122 amerikanische Freiwillige am Fuß des Hügels erschossen. Dahinter jagte der Rauch aus den riesigen Schornsteinen der Havana Electric Company quer über den Himmel, und dann lief der Highway unter der kopfsteingepflasterten Unterführung durch und am oberen Hafen entlang, wo das Wasser genauso schwarz und ölig war, als hätten sie den Bodensatz aus den Tanks eines Öltankers gepumpt. Die Schranken Öffneten sich, sie fuhren wieder an, und jetzt waren sie vor dem Nordsturm geschützt. Sie kamen an den hölzernen Rümpfen der armseligen und grotesken Handelsflotte, die unter dem Krieg gelitten hatte, vorbei. Sie lagen an den desinfizierten, hölzernen Piers, und der Hafenschmutz, schwärzer als Kreosot und faul wie aus einer Kloake, trieb unter den Rümpfen dahin. Einige der Schiffe erkannte er wieder. Eines, ein alter Kasten, war groß genug gewesen, daß sich ein Unterseeboot mit ihm befaßt hatte, und das Unterseeboot hatte ihn beschossen. Er führte eine Decksladung Holz und war eingelaufen, um Zucker zu laden. An den Flicken konnte Thomas Hudson sehen, wo die Einschläge gewesen waren, und er mußte an die Chinesen denken, die noch gelebt hatten, und an die toten Chinesen an Deck, als sie draußen auf See längsseit gegangen waren, und er sagte zu sich: ich dachte, du wolltest heute nicht an die See denken. Es hilft nichts, du siehst sie ja, sagte er zu sich, aber die auf See sind, sind immer noch besser daran als diejenigen, an denen wir hier vorbeifahren. Außerdem ist dieser Hafen, der seit dreihundert oder vierhundert Jahren vor sich hin gammelt, gar nicht das Meer, und in der

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