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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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zusammengepißt. Erst ist einer abgelenkt, und dann ist einer traurig. Und ich war vorher ekelhaft. Also was soll’s? Mußt du Schlampe immer über andere Leute herziehen? Du müßtest endlich wissen, daß du zum Spaß da bist.»
    Honest Lil begann zu weinen, richtige Tränen, größere und nassere als im Kino. Sie konnte immer richtig weinen, wenn sie wollte oder es nötig hatte oder jemand hatte sie gekränkt.
    «Diese Schlampe heult dickere Tränen als meine Mutter früher», sagte Willie.
    «Du sollst mich nicht immer so nennen, Willie.»
    «Laß es sein, Willie», sagte Thomas Hudson.
    «Du bist einfach gemein und grausam, Willie. Ich hasse dich», sagte Honest Lil. «Ich verstehe nicht, wie Leute wie Thomas Hudson und Henry sich mit dir abgeben. Du bist gemein und redest schweinisch.»
    «Das darfst du nicht sagen, du bist ‘ne Dame», sagte Willie. «Schweinisch ist kein Wort für Damen. Es ist genauso unanständig, wie wenn ich dir auf die Zigarre spucke.»
    Thomas Hudson legte ihm die Hand auf die Schulter: «Trink lieber, Willie. Uns ist allen nicht besonders.»
    «Henry ist auf dem Damm, aber wenn ich ihm sagte, was du mir gesagt hast, ging’s ihm auch beschissen.»
    «Du hattest mich danach gefragt.»
    «So meine ich das nicht. Warum teilst du nicht dein gottverfluchtes Elend mal mit jemandem? Warum frißt du alles in dich hinein, und das gleich zwei Wochen lang?»
    «Man kann das nicht teilen.»
    «Kummerschlucker», sagte Willie. «Ich hätte nie gedacht, daß du ‘n Kummerschlucker bist, ein gottverdammter.»
    «Ich brauch das jetzt nicht, Willie», sagte Thomas Hudson zu ihm, «du brauchst dir nicht soviel Mühe zu geben. Aber ich danke dir.»
    «Okay. Schluck’s runter, erstickst noch daran. Ich will dir mal was sagen: ich bin mit diesem gottverdammten Elend aufgewachsen.»
    «Ich auch», sagte Thomas Hudson, «im Ernst.»
    «Wirklich? Dann machst du’s ja womöglich richtig. Trotzdem, du siehst ziemlich mitgenommen aus.»
    «Das kommt vom Trinken, und weil ich müde bin und nicht geschlafen habe.»
    «Hast du von deiner Frau gehört?»
    «Ja, drei Briefe.»
    «Wie geht’s mit ihr?»
    «Schlecht genug.»
    «Da hast du’s», sagte Willie. «Da hast du wieder was zum Runterschlucken.»
    «Es gibt Ersatz.»
    «Klar. Dein Kater liebt dich. Ich weiß, ich hab’s gesehen. Was macht das verrückte Vieh?»
    «Verrückt ist er.»
    «Mir geht es durch und durch, wenn ich euch sehe», sagte Willie.
    «Er macht was durch.»
    «Das glaub ich. Wenn mir’s wie deinem Kater ginge, hätt ich längst durchgedreht. Nimmst du noch einen, Thomas?»
    «Noch mal dasselbe.»
    Willie legte den Arm um Honest Lils üppige Taille. «Hör mal, Lilly», sagte er, «du bist ein prima Mädchen. Ich wollte dich nicht verletzen. Es war meine Schuld. Ich war einfach in Rage.»
    «Du sagst es nicht mehr?»
    «Nein. Nur wenn ich in Rage komme.»
    «Hier ist dein Glas», sagte Thomas Hudson zu ihm. «Ich trink auf dich, Schweinehund.»
    «Das ist schon besser. Das klingt schon wieder wie der alte Tom. Schade, daß der Kater nicht da ist, der wär so stolz auf dich. Merkst du, was ich meine, wenn ich von teilen rede?»
    «Ja», sagte Thomas Hudson. «Ich merk’s.»
    «Dann können wir damit aufhören», sagte Willie. «Mußt einfach deinen Ascheimer rausstellen, wenn die Ascheleute kommen. Guck dir Henry an, nimm dir an dem ein Beispiel. Was glaubst du, weshalb er schwitzt, bei dieser Kälte?»
    «Er hat die Mädchen im Kopf», sagte Honest Lil. «Er ist besessen.»
    «Besessen?» sagte Willie. «Wenn du dem ein Loch in den Kopf bohrst, bloß einen Zentimeter groß, dann kommt ein Weib nach dem anderen heraus. Besessen… gibt es kein Wort, das besser auf ihn paßt?»
    «Im Spanischen ist das hübsch stark.»
    «Besessen, das ist gar nichts. Ich werde es mir heut nachmittag mal überlegen, wenn ich Zeit habe.»
    «Tom, komm doch mit herunter ans andere Ende der Theke. Ich fühl mich wohler dort, und wir können reden. Kaufst du mir ein Sandwich? Ich bin den ganzen Morgen mit Henry unterwegs gewesen.»
    «Ich geh in die Basque Bar», sagte Willie. «Sieh zu, daß du ihn mitbringst, Lil.»
    «Okay», sagte Lil, «oder ich schick ihn rüber.»
    Sie wogte ans untere Ende der Bar, sprach einige der Männer an, an denen sie vorbeiwalzte, und lächelte anderen zu. Jedermann war zuvorkommend zu ihr, und beinahe jeder, den sie ansprach, war irgendwann einmal in den letzten 25 Jahren in sie verliebt gewesen. Als Honest Lil sich gesetzt

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