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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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etwas riechen muß es», sagte Thomas Hudson. Er sah Henry Wood nach, der mit einem sehr reichen jungen Zuckerpflanzer namens Alfred über den Platz ging und in dessen Sportwagen einstieg. Henry Wood war zu groß für den Sportwagen. Er ist für fast alles zu groß, dachte Thomas Hudson, aber er wußte, daß es drei oder vier Sachen gab, für die er nicht zu groß war. Bestimmt nicht, sagte er zu sich. Das ist heute dein freier Tag. Du nimmst heute deinen freien Tag.
    «Wovon soll ich dir erzählen?»
    «Ich hab dir’s schon gesagt.»
    Er sah zu, wie Serafin den Daiquiri aus dem Shaker in das große Glas goß, und sah, wie das Glas überlief und der Drink auf die Bar rann. Serafin schob den Fuß des Glases in eine Löschpapiermanschette, und Thomas Hudson nahm es. Das Glas war schwer und kalt über dem dünnen Stiel, den er in seinen Fingern hielt. Er trank einen großen Schluck, behielt ihn im Mund, genoß seine Kälte zwischen Zunge und Zähnen, bevor er ihn herunterschluckte. «Also…» sagte er, «der schönste Tag war jedesmal, wenn ich am Morgen aufwachte und nicht zur Schule oder zur Arbeit zu gehen brauchte, wie ich noch ein Junge war. Wenn ich frühmorgens aufwachte, hatte ich immer Hunger. Es roch nach Gras und Tau. Man hörte den Wind in den Zweigen der hohen Föhren, falls da Wind war, und die Stille des Sees, und ich wartete, bis man die ersten Geräusche des Morgens hörte. Manchmal kam das erste Geräusch von einem Königsfischer, der über das spiegelglatte Wasser strich, und man hörte den krächzenden Schrei, während er flog. Ein andermal war es ein Eichhörnchen, das in einem der Bäume vor dem Haus keckerte und jedesmal den Schwanz bewegte, wenn es das Geräusch machte. Oft hörte ich auch den Wachtelruf von den Hügeln herüber. Jedesmal, wenn ich wach wurde und die ersten Geräusche hörte und den Hunger merkte und wußte, daß ich nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen mußte, war ich glücklicher, als ich es je wieder gewesen bin.»
    «Glücklicher als mit Frauen?»
    «Ich bin mit Frauen sehr glücklich gewesen, verzweifelt glücklich. So glücklich, daß ich es nicht ausgehalten habe, so sehr, daß ich’s nicht glauben konnte und daß es war, als wäre ich betrunken oder verrückt, aber nicht so glücklich, wie wenn ich mit meinen Jungen zusammen war, und wir hatten es gut miteinander, oder wie damals frühmorgens.»
    «Kann man alleine so glücklich sein wie mit jemandem anderen?»
    «Das ist Unsinn. Du wolltest, ich solle dir erzählen, was mir gerade einfalle.»
    «Das habe ich nicht gesagt. Ich habe dich um eine lustige Geschichte aus deiner glücklichsten Zeit gebeten. Das war keine Geschichte. Du bist bloß aufgewacht und warst glücklich. Erzähl mir eine richtige Geschichte.»
    «Wovon denn?»
    «Laß etwas Liebe darin vorkommen.»
    «Was für Liebe? Geistliche oder weltliche?»
    «Liebe, die Spaß macht.»
    «Da weiß ich eine gute Geschichte.»
    «Erzähl sie. Willst du noch etwas trinken?»
    «Nein, ich habe den noch. Also gut: als ich damals in Hongkong war, und Hongkong ist eine wunderbare Stadt, ging es mir gut, und ich hatte ein ganz verrücktes Leben. Es gibt dort eine schöne Bucht und auf der Festlandseite der Bucht liegt Kowloon. Hongkong selber liegt auf einer bergigen Insel, auf der es schönen Wald gibt und Serpentinenstraßen bis hinauf in die Berge, und die Häuser ziehen sich an den Berghängen hinauf. Unten liegt die Stadt, am Fuß der Berge, und sieht nach Kowloon hinüber. Du kannst mit schnellen, modernen Fährbooten hin-und herfahren. Kowloon ist eine schöne Stadt, die du bestimmt mögen würdest. Sie streckt sich lang hin und ist sauber, und der Wald kommt bis an den Stadtrand heran. Gleich hinter dem Frauengefängnis kann man schöne Waldtauben schießen. Dort waren wir immer auf Taubenjagd, und die Tauben waren groß und schön und hatten purpurn changierendes Gefieder am Hals, und sie hatten eine kraftvolle, ungestüme Art zu fliegen, wenn sie in der Dämmerung hereinkamen, um sich in den großen Lorbeerbäumen, die vor den geweißten Mauern des Gefängniskomplexes standen, für die Nacht niederzulassen. Manchmal habe ich eine geschossen, die hoch hereinkam, schnell flog, weil sie den Wind mit sich hatte, und direkt über mich hinweg, und dann fiel die Taube in den Gefängnishof, und man konnte die Frauen vor Freude schreien und quieken hören, während sie sich um die Taube schlugen, und dann quiekten sie wieder und schrien auf, wenn der indische

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