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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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wenn’s irgend ging, nahm ich meine Nase gar nicht mehr heraus. Eigentlich nie.»
    «Pues, jetzt ist es etwas lustiger.»
    «Jetzt kommt der lustige Teil. Unsere Kammer lag eben über der Wasserlinie, so daß wir das Bullauge immer zugeschraubt lassen mußten und sehen konnten, wie das Seewasser vorbeischoß, das ganz grün war, wenn eine Welle über das Bullauge hinstrich. Damit Tom nicht aus der Koje fallen konnte, hatten wir sie mit Koffern und Kisten, die wir zusammengebunden hatten, verbarrikadiert, und immer wenn seine Mutter oder ich hinunterkamen, und er wach war, lachte er.»
    «Hat er richtig gelacht, mit seinen drei Monaten?»
    «Die ganze Zeit. Ich habe ihn niemals weinen hören, als er klein war.»
    «Que muchacho mas lindo y mas guapo!»
    «Ja», sagte Thomas Hudson, «ein erstklassiger muchacho. Soll ich dir noch eine lustige Geschichte von ihm erzählen?»
    «Warum bist du von seiner schönen Mutter weggegangen?»
    «Da sind manche sonderbare Umstände zusammengekommen. Willst du noch eine lustige Geschichte hören?»
    «Ja, aber sie soll nicht so stinken.»
    «Dieser gefrorene Daiquiri, so durchgeschüttelt wie er jetzt ist, sieht wirklich aus wie das Bugwasser, wenn es sich rechts und links vor dem Steven teilt und das Schiff dreißig Meilen läuft. Würdest du’s mögen, wenn die Daiquiris phosphoreszierten wie Meeresleuchten?»
    «Du kannst ja etwas Phosphor hineintun. Es würde dir nur nicht gut bekommen. In Kuba nehmen sich die Leute manchmal das Leben, indem sie das Phosphor von den Streichhölzern essen.»
    «Und indem sie tinte rapido trinken. Was ist das eigentlich?»
    «Das ist eine Farbe, mit der man die Schuhe schwarz färbt. Aber die meisten Mädchen, die kein Glück in der Liebe haben, oder die Bräutigame haben sie sitzenlassen, es mit ihnen gemacht und sind dann weggegangen, ohne sie zu heiraten, bringen sich um, indem sie sich mit Alkohol übergießen und anzünden. Das ist die klassische Methode.»
    «Ich weiß», sagte Thomas Hudson. «Auto da je.»
    «Es ist die sicherste Methode», sagte Honest Lil, «sie sterben fast immer. Die Brandwunden sind meistens am Kopf und gewöhnlich auch am ganzen Körper. Tinte rapido soll bloß was hermachen, und Jod ist au fond sowieso eine Geste.»
    «Wovon redet ihr beiden Scheusale?» fragte Serafin, der Mixer.
    «Vom Selbstmord.»
    «Hay mucho», sagte Serafin, «besonders unter den Armen. Ich kann mich nicht erinnern, daß sich je ein reicher Kubaner das Leben genommen hätte. Weißt du einen?»
    «Ja», sagte Honest Lil. «Ich kenne eine ganze Menge Fälle, auch nette Leute.»
    «Sieht dir ähnlich», sagte Serafin. «Señor Tomas, wollen Sie nicht etwas essen zu Ihren Drinks? Un poco de pescado? Puerco frito? Kaltes Fleisch?»
    «Si», sagte Thomas Hudson, «egal, was es ist.»
    Serafin stellte eine Platte mit Schweinefleischstückchen auf die Theke, braun und knusprig gebacken, und einen Teller roter Brassen, die in Butter gebacken waren, so daß ihre rote Haut mit einer gelben Kruste überzogen war, aus der das weiße, süße Fischfleisch hervorsah. Serafin war ein großer Bursche, der grob dahinredete, ohne daß etwas Gemachtes daran war, und er trampelte in seinen Holzschuhen herum, die er wegen der Nässe und des Spülwassers hinter der Bar trug.
    «Wollen Sie noch etwas kaltes Fleisch?»
    «Nein, das reicht.»
    «Nimm alles, was sie dir hier geben, Tom», sagte Honest Lil. «Du kennst sie doch hier.»
    Die Bar war bekannt dafür, daß sie niemals jemanden freihielt, auf der anderen Seite gab sie ungezählte Teller voll heißer Snacks aus, ohne sie zu berechnen. Nicht nur Bratfisch und Schweinefleisch, sondern auch kleine Fleischklößchen, Sandwiches, mit Käse und Schinken überbacken. Außerdem mixten die Barmixer die Daiquiris in riesigen Shakers, die wenigstens noch anderthalb Drinks enthielten, wenn sie die Gläser vollgegossen hatten.
    «Jetzt bist du nicht mehr so traurig, nicht wahr?» fragte Honest Lil.
    «Nein.»
    «Sag mir mal, Tom, worüber du traurig bist.»
    «El mundo entero.»
    «Die Welt macht alle traurig, und es wird immer schlimmer. Aber du kannst nicht die ganze Zeit über die Welt traurig sein.»
    «Es ist nicht gesetzlich verboten.»
    «Du brauchst keine Gesetze, um alles falsch zu machen.»
    Eine moralische Diskussion mit Honest Lil ist das letzte, was du brauchen kannst, dachte Thomas Hudson. Aber was hilft dir jetzt weiter? Besauf dich einfach, du bist schon dabei, wenn es auch nicht so aussieht. Du hast

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