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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Die Waffe zerrte den Gurt herunter, so daß sie an seinem Schenkel hing, und an der anderen Seite des Gurts hing ein Bowiemesser.
    In der Kombüse blieb er stehen, nahm einen Löffel und steckte ihn in die Tasche.
    «Ara, du und Henry kommt mit. Willie, du nimmst das Dingi und siehst zu, ob du ein paar Muscheln findest. Laß Peters schlafen.»
    Zum Steuermann sagte er: «Kümmere dich bitte um die Motoren und peile alle Tanks.»
    Das Wasser über dem weißen Sandgrund war so klar und rein, daß er jede Furche und Unebenheit im Sand erkennen konnte. Das Dingi lief auf einer Sandbank auf, und als sie an Land wateten, spürte er die kleinen Fische an seinen Zehen. Er sah hinunter und sah, daß es winzige Klippfische waren, die da spielten. Vielleicht sind es keine richtigen Klippfische, dachte er, aber sie sehen genauso aus, und sie sind sehr zutraulich.
    Am Strand sagte er zu Henry: «Du gehst den Strand auf der Luvseite hinauf, bis zu den Mangroven. Paß auf, ob du Spuren oder sonst etwas entdeckst. Komm dann wieder zurück. Und du, Ara, gehst auf der anderen Seite hinunter und machst dasselbe.»
    Er brauchte sie nicht zu fragen, wo die Toten lagen. Er sah die Spuren, die zu ihnen hinführten, und im dürren Buschwerk hörte er das Klappern der Landkrebse. Er sah sich nach seinem Schiff um und sah die Brandung und davor das Dingi, das driftete, und Willie, der über das Heck des Dingis gebeugt mit dem Guckglas nach Muscheln suchte.
    Da du es sowieso machen mußt, kannst du es auch gleich hinter dich bringen, dachte er. Es ist nicht gerade der Tag dafür. Komisch, daß sie hier, wo sie ihn nicht brauchten, soviel Regen gehabt haben, und wir haben nichts abbekommen. Wie lange haben wir jetzt die Regenwolken überall gesehen und keinen Tropfen gehabt?
    Der Wind wehte stark. Es hatte jetzt Tag und Nacht geweht, seit fünfzig Tagen. Der Mann hatte sich daran gewöhnt, und es machte ihn nicht mehr nervös. Der Wind hatte ihn im Gegenteil härter gemacht und hatte ihm Kraft gegeben, und er hoffte, daß er nie wieder aufhörte. Wir warten immer auf etwas, das doch nicht kommt. Aber solange es weht, wartet sich’s leichter, als wenn es flau ist oder bei diesen tückischen, bösartigen Böen. Wasser gibt’s überall, also braucht es nicht zu regnen. Wir können immer welches finden. Auf allen diesen Inseln gibt es Wasser, wenn man nur weiß, wo man suchen muß.
    Jetzt, dachte er. Geh jetzt los und bring’s hinter dich.
    Der Wind half ihm, es hinter sich zu bringen. Solange er unter den Strandbeerenbüschen herumkroch und den Sand durch beide Hände siebte, war er in Luv von dem, was vor ihm lag. Er fand nichts im Sand, und er wunderte sich darüber, aber er suchte den ganzen Sand auf der Luvseite der niedergebrannten Hütten ab, ehe er sich ihnen näherte. Er hatte es sich leicht machen wollen mit dem, was er suchte, aber da war nichts. Jetzt näherte er sich, den Wind im Rücken, so daß er sich umdrehen und Luft holen konnte, den verkohlten Kadavern, an denen die Landkrebse fraßen, hielt den Atem an und machte sich mit dem Messer an die Arbeit. Plötzlich stieß er auf etwas Hartes, das sich gegen einen Knochen schieben ließ, und er holte es mit dem Löffel heraus. Er legte es mit dem Löffel in den Sand, stocherte tiefer und fand drei weitere in dem Leichenhaufen. Er drehte sich in den Wind und reinigte das Messer und den Löffel im Sand. Er nahm das Messer und den Löffel in die Linke, und mit der Rechten nahm er eine Handvoll Sand auf, in dem die vier Geschosse steckten, und trat den Rückweg durchs Gebüsch an.
    Ein großer Landkrebs von obszönem Weiß zog sich vor ihm zurück, die Scheren nach ihm ausgestreckt. «Willst du auch hin, Alter?» sagte der Mann. «Ich komm gerade von dort.»
    Der Landkrebs erstarrte. Er spreizte seine messerscharfen Scheren gegen ihn.
    «Du tust dich ziemlich dick», sagte der Mann. Er steckte langsam das Messer in die Scheide und tat den Löffel in die Tasche. Dann schüttete er den Sand mit den vier Geschossen in seine linke Hand, wischte sich die Rechte sorgfältig an seinen Shorts ab und zog seinen gut geölten .357 Magnum, dessen Griff vom Schweiß dunkel geworden war.
    «Du hast noch eine Chance», sagte der Mann zu dem Krebs. «Keiner wirft dir etwas vor. Du tust, was du tun mußt und was dir Spaß macht.»
    Der Krebs rührte sich nicht. Seine Scheren starrten in die Luft. Es war ein großer Landkrebs. Sein Rückenschild hatte einen Durchmesser von ungefähr einem Fuß. Der Mann

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