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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Bei diesem Wind gibt’s keine Insekten, auch bei Nacht nicht.»
    «No, Sir.»
    Sie ankerten. Das Fahrzeug, das nicht groß genug war, um von irgendwem ‹Schiff› genannt zu werden, außer vom Schiffer selber, schwojte in den Wind, und die See brandete weiß und grün über das Riff hin.
    Der Mann auf dem Ruderdeck sah zu, wie der Kutter herumschwojte. Der Anker hielt. Dann sah er zum Land hinüber und stellte die Motoren ab. Er beobachtete die Küste unverwandt und konnte nicht klug daraus werden.
    «Nimm dir drei Mann und fahr hinüber und seht euch um», sagte er. «Ich will mich eine Weile hinlegen. Aber denkt daran, ihr seid Wissenschaftler.»
    Sobald sie ‹Wissenschaftler› spielten, sah man ihnen nicht an, daß sie bewaffnet waren. Sie trugen nur Macheten und große Strohhüte, wie sie die Schwammfischer auf den Bahamas tragen. Unter der Mannschaft hießen sie Sombreros cientificos und wurden für um so gelehrter angesehen, je größer sie waren.
    «Da hat mir wieder wer den wissenschaftlichen Hut geklaut», sagte ein schwerschultriger Baske, dem die Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren. «Nun macht ernst mit der Wissenschaft und gebt mir die Handgranaten herüber!»
    «Nimm meinen gelehrten Hut», sagte ein zweiter Baske. «Er ist doppelt so wissenschaftlich wie deiner.»
    «Mann, was für ein Hut», sagte der mit den breiten Schultern. «Ich komm mir wie Einstein damit vor. Sollen wir irgendwelche Proben mitbringen, Thomas?»
    «Nein», sagte der Mann. «Antonio weiß Bescheid, was ihr machen sollt. Und macht euere verdammten wissenschaftlichen Augen auf, kapiert?»
    «Ich werde mich nach Wasser umsehen.»
    «Hinter der Stelle, wo früher das Dorf war, gibt es welches», sagte der Mann. «Seht mal zu, wie es aussieht. Wir sollten besser Wasser übernehmen.»
    «H 2 O», sagte der Baske, «immer schön wissenschaftlich. He, du Schwachkopf, du Hüteklauer, gib mal vier Demijohns her, daß wir den Weg nicht umsonst machen.»
    Der andere Baske stellte vier Zwanzig-Liter-Korbflaschen ins Dingi.
    Der Mann hörte ihr Gerede. «Stoß mich nicht immer mit deinem verdammten Wissenschaftsriemen ins Kreuz.»
    «Ich tu’s zu wissenschaftlichen Zwecken.»
    «Scheiß auf die Wissenschaft und ihren Bruder.»
    «Schwester mußt du sagen.»
    «Penicilina heißt sie!»
    Der Mann sah ihnen nach, wie sie zum weißen Strand übersetzten. Du hättest mitfahren sollen, dachte er. Aber schließlich warst du die ganze Nacht auf den Beinen und hast zwölf Stunden am Ruder gestanden. Antonio kann das genauso erledigen. Aber ich möchte wissen, was hier passiert ist. Er sah noch einmal zur Barre hinüber, dann zur Küste, wo der Neerstrom lief und unter dem Strand kleine Wirbel bildete. Dann machte er die Augen zu, drehte sich auf die Seite und schlief ein.
    Als das Dingi längsseit kam, wachte er auf, und er sah ihren Gesichtern an, daß etwas nicht in Ordnung war. Sein Steuermann schwitzte, wie jedesmal, wenn es Schwierigkeiten oder schlechte Nachrichten gab. Dabei war er ein hagerer Mann und schwitzte sonst nicht leicht.
    «Irgendwer hat die Hütten angesteckt», sagte er. «Irgendwer wollte sie weg haben, und in der Asche liegen Leichen. Man riecht’s hier bloß nicht, weil Wind ist.»
    «Wie viele sind’s?»
    «Wir haben neun gezählt, aber es können mehr sein.»
    «Männer oder Frauen?»
    «Beides.»
    «Habt ihr Spuren gefunden?»
    «Nein. Es muß danach geregnet haben. Tüchtig. Man sieht im Sand noch die Spuren.»
    Ara, der breitschultrige Baske, sagte: «Sie sind jedenfalls schon eine Woche tot. Die Vögel sind noch nicht dabeigewesen, aber die Landkrebse sind schon zugange.»
    «Woher weißt du, daß sie schon eine Woche tot sind?»
    «Genau kann man es nicht sagen», sagte Ära, «aber ungefähr eine Woche sind sie tot. Den Spuren der Landkrebse nach muß es vor drei Tagen geregnet haben.»
    «Wie ist das Wasser?»
    «In Ordnung.»
    «Habt ihr etwas mitgebracht?»
    «Ja.»
    «Ich glaub nicht, daß sie’s vergiftet haben», sagte Ara. «Es roch gut, da hab ich’s probiert und hab welches mitgebracht.»
    «Du hättest es lieber nicht probieren sollen.»
    «Es roch gut, und es gab keinen Grund, weshalb es vergiftet sein sollte.»
    «Wer hat die Leute umgebracht?»
    «Irgendwer.»
    «Habt ihr’s untersucht?»
    «Nein, wir wollten dir’s sagen. Du bist der Schiffer. Deshalb sind wir zurückgekommen.»
    «Das ist richtig», sagte Thomas Hudson. Er ging an Deck und schnallte sich seinen Revolver um.

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