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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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könnten sie mit dem ablaufenden Wasser durch einen der Priele gehen. Dann wären sie in der großen Lagune, wo ihnen nichts mehr passieren kann, auch bei Dunkelheit nicht. Das breite Fahrwasser ist bis zum Ende befeuert. Jetzt hängt alles vom Wind ab.
    Seit sie aufgelaufen waren, kam er sich vor, als sei ihm Strafaufschub gewährt worden. Er hatte den schweren Stoß, der das Schiff bei der Grundberührung durchfahren hatte, wie einen Schlag gegen sich selber empfunden. Er hatte dem Geräusch angehört, daß sie auf keinen Stein gerannt waren, trotzdem hatte er es in seinen Händen und durch die Fußsohlen hindurch bemerkt, und der Stoß hatte ihn selber getroffen. Später hatte er das Gefühl einer Gnadenfrist gehabt, wie es Verwundete haben. Es war ihm immer noch, als träumte er und als wäre ihm das alles schon einmal passiert, wenn es auch nicht genauso gewesen war, und jetzt, wo er auf Grund aufgelaufen war, hatte er das Gefühl, für eine Weile davongekommen zu sein. Er wußte, daß es nur eine Gnadenfrist war, aber die Spannung wich von ihm.
    Ara kam auf die Brücke und sagte: «Die Anker halten, Tom. Wir liegen fest. Wir haben den großen Anker auf Slip gesetzt, und wenn wir freikommen, können wir ihn schnell hieven. An die beiden Heckanker haben wir Bojen angesteckt, so daß wir sie auch slippen können.»
    «Danke, ich hab’s gesehen.»
    «Mach dir nichts draus, Tom. Die Schweinehunde stecken wahrscheinlich gleich hinter der nächsten Insel.»
    «Ich mach mir nichts draus. Es hält uns nur auf.»
    «Es ist nicht dasselbe, wie einen Wagen zu Klump fahren oder ein Schiff verlieren. Wir sitzen bloß auf Scheiße und müssen die Tide abwarten.»
    «Das ist richtig.»
    «Den Schrauben hat’s nichts gemacht. Wir stecken nur bis zum Arsch im Mud.»
    «Und ich hab uns da hingesetzt.»
    «Wir kommen genauso glatt wieder frei, wie wir hineingekommen sind.»
    «Vermutlich.»
    «Machst du dir Sorgen um irgendwas, Tom?»
    «Worum sollte ich mir Sorgen machen?»
    «Um nichts. Ich hatte nur Angst, du machtest dir welche.»
    «Scheiß drauf», sagte Thomas Hudson. «Geh jetzt mit Gil hinunter und seht zu, daß alle was zu essen bekommen und bei Laune sind. Später fahren wir an Land und gucken uns die Insel an. Mehr können wir nicht tun.»
    «Willie und ich können gleich losgehen. Wir brauchen nicht zu essen.»
    «Nein, ich gehe nachher mit Willie und Peters los.»
    «Ich soll nicht mit?»
    «Nein, Peters spricht Deutsch. Aber sag ihm noch nichts davon. Weckt ihn bloß und seht zu, daß er eine Menge Kaffee trinkt.»
    «Warum kann ich nicht mitkommen?»
    «Das Dingi ist zu klein.»
    Gil ließ ihm das große Glas auf der Brücke und ging mit Ara hinunter. Thomas Hudson musterte die Insel sorgfältig mit dem großen Glas, aber die Mangroven waren zu hoch und verdeckten alles, was dahinter lag. Auf dem Oberland der Insel waren die Mangroven mit anderen Bäumen durchsetzt, die sie noch überragten, so daß man unmöglich erkennen konnte, ob irgendein Mast aus der hufeisenförmigen Bucht dahinter hervorragte. Das starke Glas machte ihm Augenschmerzen. Er steckte es ins Etui zurück und hängte es mit dem Riemen an einem Haken auf, so daß das Glas flach auf der Handgranatenhalterung zu liegen kam.
    Er war froh, daß er wieder allein auf dem Peildeck war, und während der kurzen Zeit seiner Gnadenfrist ruhte er sich aus. Er beobachtete die Strandvögel, die auf den Bänken ihr Futter suchten, und er erinnerte sich, wieviel sie ihm bedeutet hatten, als er ein Junge gewesen war. Soviel sagten sie ihm nicht mehr, und er hatte seit langem nicht mehr den Wunsch, sie zu jagen, aber er wußte noch ganz genau, wie er früher mit seinem Vater auf irgendeiner Sandbank hinter der Blende gesessen hatte. Sie hatten die blechernen Lockvögel ausgesetzt, und als das Wasser gefallen und das Watt zum Vorschein gekommen und trockengefallen war, hatte er den kreisenden Schwarm gelockt. Es war ein trauriger Lockpfiff gewesen. Er pfiff ihn jetzt, und ein Schwarm näherte sich. Aber die Vögel vermieden das gestrandete Schiff und flogen weiter, um sich weiter draußen ihr Futter zu suchen.
    Er schwenkte mit dem Glas noch einmal den ganzen Horizont ab, da war keine Spur von einem Boot. Vielleicht haben sie es durch den neuen Priel geschafft und sind schon in der großen Lagune, dachte er. Es wäre gut, wenn jemand anderes sie zu fassen bekäme. Wir könnten sie jetzt nicht ohne Kampf kriegen. Einem Dingi ergeben sie sich nicht.
    Er hatte so

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