Inseln im Strom
Generator war in Gang.»
«Jetzt hat’s sowieso nichts mehr zu bedeuten», sagte Antonio. «Aber die beiden nächsten Bricken sind nicht zu sehen, Tom.»
«Siehst du die nächsten Bricken, Gil?»
«Ich seh nichts.»
«Schiet», sagte Thomas Hudson. «Ich muß bloß noch diesen nächsten kleinen Scheißhaufen von Insel schaffen und mich von der Sandbarre freihalten, die von Süden nach Norden läuft, dann kriegen wir die größere Insel mit den Mangroven zu fassen, und dann können wir’s versuchen, mit dem alten oder mit dem neuen Priel.»
«Der Ostwind bläst uns das ganze Wasser weg.»
«Scheiß auf den Ostwind», sagte Thomas Hudson, und wie er es sagte, klang es wie eine äußerste Blasphemie und viel älter als jeder Fluch eines Christen. Er wußte, daß er einen der größten Freunde aller Seefahrenden verflucht hatte, aber da der Fluch heraus war, entschuldigte er sich nicht, sondern wiederholte ihn.
«Das kann nicht dein Ernst sein, Tom», sagte Antonio.
«Ich weiß, Antonio», und zu sich selber sagte er, um es wiedergutzumachen, einen Vers, den er nicht mehr genau wußte: «Blas, blas, Westwind du, daß der Regen nehme zu, daß meine Liebste, lieber Christ, bei mir in meinem Bette ist.» Es ist derselbe gottverdammte Wind, dachte er, nur daß der Breitenunterschied dazukommt. Sie kommen bloß von verschiedenen Kontinenten, aber freundlich und gut und loyal sind sie beide. Und dann sagte er sich den Vers noch einmal, «daß meine Liebste, lieber Christ, bei mir in meinem Bette ist.»
Das Wasser zwischen den Untiefen war jetzt so schlammig, daß er nur noch nach dem Sog steuern konnte, der neben dem Schiff her an den Kanten der Bänke entlanglief. George stand im Bug mit dem Lot, und Ara hatte eine lange Stange in der Hand. Sie loteten und sangen die Lotungen aus.
Thomas Hudson hatte das Gefühl, daß er das alles schon einmal in einem schlimmen Traum erlebt habe. Sie hatten viele schlimme Fahrrinnen passiert, aber das jetzt war etwas anderes, und irgendwann war es schon einmal in seinem Leben passiert. Vielleicht war es sein ganzes Leben lang passiert, aber jetzt geschah es mit so gesteigerter Intensität, daß ihm war, als läge alles in seiner Hand und er wäre trotzdem gefangen.
«Siehst du etwas, Gil?» fragte er.
«Nichts.»
«Soll Willie mit heraufkommen?»
«Nein. Was Willie sieht, sehe ich auch.»
«Er soll trotzdem heraufkommen.»
«Wie du denkst, Tom.»
Zehn Minuten später waren sie aufgelaufen.
15
Sie waren im Wattenmeer aufgelaufen, auf einer Bank, die mit einer Bricke hätte markiert sein sollen, und das Wasser fiel weiter. Es briste stark und das Wasser war muddig. Voraus lag eine mittelgroße grüne Insel, die wenig aus dem Wasser ragte, und links von ihr war ein Gewirr von vielen ganz kleinen Inseln. Auf beiden Seiten des Schiffs buckelten die nackten Bänke aus dem ablaufenden Wasser hervor, und Thomas Hudson sah, wie ganze Schwärme von Strandvögeln herausschwenkten und sich darauf niederließen und pickten. Antonio hatte das Dingi zu Wasser gelassen, und er brachte mit Ara den Buganker und zwei kleine Heckanker aus.
«Glaubst du, daß wir einen zweiten Buganker brauchen?» fragte Thomas Hudson Antonio.
«Ich glaub’s nicht, Tom.»
«Wenn es aufbrist, kann uns der Wind gegen die aufkommende Flut drücken.»
«Das glaube ich nicht, Tom, aber es ist natürlich möglich.»
«Laß uns den großen Anker weiter nach Lee schiften und einen kleinen in Luv ausbringen, dann brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.»
«In Ordnung», sagte Antonio. «Vielleicht auch besser, als daß es uns noch einmal auf einer schlechten Stelle aufsetzt.»
«Ja», sagte Thomas Hudson. «Wir kennen uns ja aus, was das betrifft.»
«Ankern ist immer noch das beste.»
«Ich weiß. Ich wollte nur, daß ihr noch einen zweiten ausbringt und den großen schiftet.»
«Ja, Tom», sagte Antonio.
«Ara plagt sich gerne mit Ankern ab.»
«Das macht kein Mensch gerne.»
«Doch. Ara.»
Antonio lächelte und sagte: «Ara vielleicht. Auf alle Fälle bin ich deiner Meinung.»
«Früher oder später einigen wir uns ja immer.»
«Es hat nur nicht viel Zweck, wenn es zu spät ist.»
Thomas Hudson beobachtete das Ankermanöver und sah zu der grünen Insel hinüber, die jetzt, da das Wasser weiter fiel, die dunklen Mangrovenwurzeln vorzeigte. Sie könnten in der Bucht auf der Südseite der Insel sein, dachte er. Der Wind wird bis zwei oder drei Uhr in der Frühe anhalten, und sobald es hell ist,
Weitere Kostenlose Bücher