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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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hat; wenn du nicht immer in Rochester herumgehangen hättest, hätte er ja die Ehre haben können.»
    «Mr. Joyce war ein berühmter Mann», sagte der junge Tom, «der hätte mit euch beiden Knirpsen gar nichts anfangen können.»
    «Das meinst du», sagte Andrew. «Mr. Joyce und David wären schon Freunde geworden. David schreibt für die Schulzeitung.»
    «Pa, erzähl mal, wie arm ihr wart, du und Tommy und Tommys Mutter. Wart ihr sehr arm?»
    Roger sagte: «Ziemlich. Ich weiß noch, wie euer Vater Toms leere Milchflaschen auf den Wochenmarkt trug und dafür das beste und billigste Gemüse bekam. Ich traf ihn, wie er vom Wochenmarkt kam, ich ging gerade frühstücken.»
    Thomas Hudson sagte zu den Jungen: «Von poireaux habe ich mehr verstanden als alle anderen im sechsten Arrondissement.»
    «Was ist poireaux?»
    «Porree. Lauch.»
    Der junge Tom sagte: «So eine Art lange grüne Zwiebel, ziemlich groß. Glänzt nur nicht wie Zwiebeln, sieht eher stumpf aus, und nur das Ende ist weiß und die Blätter sind grün. Man kann sie kochen oder kalt essen, mit Essig und Öl und Salz und Pfeffer, man ißt das ganze Ding, Blätter und alles, es schmeckt prima. Ich glaube, ich habe so viel Porree wie niemand sonst in der Welt gegessen.»
    Andrew fragte: «In was für einem sechsten… war das?»
    David sagte: «Du hältst bloß die Geschichte auf.»
    «Aber wenn ich nicht Französisch kann, muß ich doch fragen.»
    «Paris ist in zwanzig Arrondissements eingeteilt, du kannst auch ‹Stadtteil› dazu sagen. Wir wohnten im sechsten.»
    «Laß doch diese Arrondissements sein! Pa soll uns was anderes erzählen», sagte Andrew.
    David sagte: «Du weißt bloß, daß du es nicht in deinen Schädel kriegst, Pferdemensch.»
    Andrew sagte: «Ich will wohl lernen. Aber die Arrondissements sind zu alt für mich. Immer redet ihr von Sachen, die zu alt für mich sind. Ich gebe ja zu, daß sie zu alt für mich sind. Ich komme da nicht mit.»
    «Und was ist der Durchschnittsrekord von deinem Baseballspieler, diesem Ty Cobb?» fragte David.
    «Dreihundertsiebenundsechzig!»
    «Das ist nicht zu alt für dich.»
    «Hör auf, David. Manche Leute mögen Baseball, und du magst Arrondissements.»
    «In Rochester gibt’s keine, nicht wahr?»
    «Hör doch auf. Ich hab doch bloß gedacht, Mr. Davis und Pa wüßten Sachen, die interessanter wären als diese… jetzt weiß ich den verdammten Namen schon wieder nicht mehr.»
    «Du sollst hier nicht fluchen», korrigierte ihn Thomas Hudson.
    «Entschuldige, Pa», sagte der Kleinste, «aber ich kann doch nichts dafür, daß ich so verdammt jung bin. Entschuldige. Ich meine: so jung.»
    Er war außer sich und beleidigt. David wußte genau, wie man ihn reizen konnte.
    «Das geht vorbei», sagte Thomas Hudson. «Ich weiß auch, daß es gar nicht so leicht ist, nicht zu fluchen, wenn man in Rage ist. Man soll nur nicht fluchen, wenn Erwachsene dabei sind. Was ihr macht, wenn ihr allein seid, ist eure Sache.»
    «Ich hab doch schon Entschuldigung gesagt, Pa.»
    «Ich weiß», sagte Thomas Hudson. «Ich hab auch gar nicht geschimpft, ich hab dir nur etwas erklären wollen. Ich seh euch doch so selten, da muß man eine Menge erklären.»
    «Soviel auch wieder nicht», sagte David.
    Thomas Hudson sagte: «Nein, nicht viel.»
    «Wenn Mutter dabei ist, flucht Andrew nie», sagte David.
    «Hör doch auf, David. Er soll aufhören, nicht wahr, Pa?»
    Der junge Tom sagte: «Wenn ihr wissen wollt, wie man richtig flucht, dann müßt ihr einfach mal Mr. Joyce lesen.»
    «Ich kenne genug Flüche», sagte David, «wenigstens für mich.»
    «Bei Mr. Joyce kommen Ausdrücke vor, die ich sonst nie gehört habe. Ich glaube, im Fluchen schlägt ihn keiner, in keiner Sprache.»
    Roger, der auf dem Rücken im Sand lag und die Augen zugemacht hatte, sagte: «Später hat er sich eine ganze eigene Sprache zurechtgemacht.»
    «Die verstehe ich auch noch nicht», sagte der junge Tom, «dafür bin ich auch noch nicht alt genug. Aber wartet nur, wenn ihr erst den Ulysses lest.»
    «Dafür sind sie zu klein», sagte Thomas Hudson. «Das ist noch nichts für sie. Ihr solltet’s auch nicht versuchen, ihr würdet es gar nicht verstehen. Wartet noch ein bißchen, bis ihr älter seid.»
    «Ich habe ihn ganz gelesen», sagte der junge Tom, «und zuerst habe ich fast nichts kapiert, das ist richtig, Pa. Aber ich habe immer weitergelesen, und jetzt verstehe ich eine ganze Menge und kann’s auch erklären. Ich war immer stolz darauf, daß

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