Inseln im Strom
hat sich aufgehängt.»
Andrew sagte: «Ach.»
Der junge Tom sagte feierlich: «Ich werde heute abend für ihn beten.»
«Ich bete für Mr. Davis», sagte Andrew.
Roger sagte: «Tu das mal öfter.»
6
Als an diesem Abend die Jungen schlafen gegangen waren, saßen Thomas Hudson und Roger Davis in der Halle und redeten. Es war zu windig gewesen, um lange zu Schnorcheln, und die Jungen waren nach dem Abendessen mit Joseph angeln gegangen. Als sie zurückkamen, waren sie müde und froh, hatten gute Nacht gesagt und waren zu Bett gegangen. Die Männer hatten sie noch eine Weile reden hören, dann waren sie eingeschlafen. Andrew hatte Angst vor der Dunkelheit, und seine Brüder wußten es, aber sie neckten ihn nie damit.
«Weißt du, warum er sich vor der Dunkelheit fürchtet?» fragte Roger.
Thomas Hudson sagte: «Nein. Hast du nie Angst im Dunkeln gehabt?»
«Ich glaube nicht.»
«Ich schon», sagte Thomas Hudson. «Hat es etwas zu bedeuten?»
Roger sagte: «Ich weiß nicht. Ich habe nur Angst vor dem Sterben gehabt, und daß meinem Bruder etwas passieren könnte.»
«Ich wußte gar nicht, daß du einen Bruder hast. Was macht er?»
«Er ist tot.»
«Verzeih.»
«Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wir waren damals noch Kinder.»
«War er älter als du?»
«Ein Jahr jünger.»
«Woran ist er gestorben?»
«Unser Kanu ist gekentert.»
«Wie alt warst du?»
«Ungefähr zwölf.»
«Du brauchst nicht darüber zu reden, wenn du nicht magst.»
«Ich glaube nicht, daß mir die Geschichte sehr gut bekommen ist», sagte Roger. «Hast du wirklich nichts davon gewußt?»
«Nein.»
«Ich habe viele Jahre gedacht, alle Leute müßten es wissen. Es ist komisch, wenn du so jung bist. Das Wasser war zu kalt, und er hat losgelassen. Aber daß ich zurückkam und er nicht, war noch schlimmer.»
«Armer Hund.»
Roger sagte: «Ach. Mir ist das ganze Elend nur ziemlich zeitig beigebracht worden. Ich hing auch sehr an ihm, und ich hatte immer Angst, daß ihm was passieren könnte. Natürlich war das Wasser auch für mich elend kalt, aber das konnte ich doch keinem sagen.»
«Wo ist es passiert?»
«Oben in Maine. Mein Vater hat versucht, damit fertig zu werden, aber ich glaube, er hat mir nie verzeihen können. Ich habe mir jeden Tag gewünscht, ich wäre es gewesen. Ein guter Start war’s nicht gerade.»
«Wie hieß dein Bruder?»
«Dave.»
«Verdammt. Bist du deshalb heute nicht mit Schnorcheln gegangen?»
«Vielleicht, aber wir können ja jeden Tag Schnorcheln. Es ist einfach etwas, über das man nicht hinwegkommt.»
«Du bist alt genug, nicht so zu reden.»
«Ich bin ja hinter ihm her getaucht, aber ich konnte ihn nicht finden», sagte Roger. «Es war einfach zu tief, und es war auch sehr kalt.»
Thomas Hudson sagte: «David Davis…»
«Ja. In unserer Familie heißt immer der erste Roger und der zweite David.»
«Natürlich bist du darüber hinweg, Roge’.»
Roger sagte: «Nein. Man kommt nicht darüber hinweg, und von Zeit zu Zeit muß man darüber reden. Es hat mich genauso beschämt, wie mich der Kampf auf der Pier beschämt hat.»
«Das war kein Grund, sich zu schämen.»
«Doch. Ich habe dir gesagt, warum. Aber lassen wir das.»
«Schön.»
«Ich glaube, ich werde mich nie mehr schlagen. Du schlägst dich auch nicht, und du kannst es genausogut wie ich.»
«Ich kann es nicht so gut. Ich habe mir nur vorgenommen, mich nicht zu schlagen.»
«Ich mach’s auch nicht mehr, und ich werde mich zusammennehmen und aufhören, dieses Dreckszeug zu schreiben.»
Thomas Hudson sagte: «Das ist das Gescheiteste, was du jemals gesagt hast.»
«Glaubst du, daß ich etwas schreiben könnte, was etwas taugt?»
«Du mußt es versuchen. Warum hast du aufgehört zu malen?»
«Ich wollte mir nicht länger etwas vormachen. Mit dem Schreiben will ich mir auch nicht länger etwas vormachen.»
«Was willst du denn sonst anfangen?»
«Irgendwo hingehen und einen anständigen Roman schreiben, so gut ich kann.»
«Warum bleibst du nicht und schreibst ihn hier? Wenn die Jungen weg sind, kannst du doch hierbleiben. In deiner Bude ist es zu heiß zum Arbeiten.»
«Ich will dir nicht auf die Nerven gehen.»
«Nein. Roge’. Du weißt, daß ich manchmal allein bin. Man kann einfach nicht von allem weglaufen, wenn’s einem paßt. Es klingt wie eine Predigt. Ich höre auch schon auf.»
«Mach ruhig weiter. Es tut mir gut.»
«Wenn du wirklich anfangen willst, dann fang hier an.»
«Du glaubst nicht, daß
Weitere Kostenlose Bücher