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Inseln im Strom

Inseln im Strom

Titel: Inseln im Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Tisch: «Ich möchte kein Trinkgeld haben, Mr. Tom», sagte der Junge und ging.
    Er las es. Dann steckte er es in die Tasche, ging zur Tür hinaus und saß auf der Loggia über dem Meer. Er nahm das Radiotelegramm aus der Tasche und las es noch einmal. söhne david und Andrew TÖDLICH VERUNGLÜCKT MIT MUTTER BEI AUTOUNFALL NAHE BIARRITZ ERWARTEN EINZELHEITEN ANKUNFT BETREFFEND AUFRICHTIGES beileid. Es war von der Pariser Filiale seiner New Yorker Bank unterschrieben.
    Eddy kam heraus. Er hatte es von Joseph gehört, der es von einem von den Jungen von der Radiostation gehört hatte.
    Eddy setzte sich zu ihm und sagte: «Schiet, Tom. Wie kann so was passieren?»
    «Ich weiß es nicht», sagte Thomas Hudson. «Wahrscheinlich sind sie irgendwo gegengefahren, oder irgendwer hat sie gerammt.»
    «Davy hat nicht am Steuer gesessen», sagte Eddy, «ich wette.»
    «Ich wette auch. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.» Thomas Hudson sah auf das öde blaue Meer hinaus und auf den Golf, der noch blauer war. Die Sonne stand schon tief, und sie würde gleich hinter den Wolken verschwinden.
    «Glaubst du, daß ihre Mutter gefahren hat?»
    «Wahrscheinlich. Vielleicht hatten sie auch einen Chauffeur. Aber das macht jetzt keinen Unterschied mehr.»
    «Oder denkst du, daß es Andy gewesen sein könnte?»
    «Könnte auch sein. Seine Mutter könnte ihn ans Steuer gelassen haben.»
    «Ehrgeizig genug ist er», sagte Eddy.
    «Er war’s», sagte Thomas Hudson. «Ich glaube nicht, daß er jetzt noch sehr ehrgeizig ist.»
    Die Sonne ging unter, und die Wolken schoben sich davor.
    «Wir müssen Wilkinson telegrafieren, mit der nächsten Radiozeit. Er soll morgen früh kommen, und er soll mir ein Flugzeug nach New York buchen.»
    «Haben Sie irgendwelche Wünsche, während Sie weg sind?»
    «Paß auf alles auf. Ich lasse dir ein paar Schecks da für jeden Monat, und wenn es Sturm gibt, dann hol dir genug Leute zur Hilfe und kümmert euch um das Boot und das Haus.»
    «Das mach ich», sagte Eddy. «Aber eigentlich ist mir jetzt alles scheißegal.»
    «Mir auch», sagte Thomas Hudson.
    «Wir haben Tom noch.»
    «Vorläufig», sagte Thomas Hudson, und zum erstenmal sah er die riesige Öde voraus, er sah sie in vollkommener Perspektive.
    «Sie schaffen es schon», sagte Eddy.
    «Natürlich. Habe ich’s nicht immer geschafft?»
    «Sie können eine Zeitlang in Paris bleiben und dann in Ihr Haus nach Kuba gehen, und Tom kann Ihnen Gesellschaft leisten. Sie können drüben gut malen, und es wäre mal was anderes.»
    «Ja», sagte Thomas Hudson.
    «Sie können auch auf Reisen gehen, das würde Ihnen guttun. Fahren Sie auf einem von den großen Schiffen, auf denen ich immer fahren wollte. Nehmen Sie eines nach dem andern und lassen Sie sich überallhin mitnehmen.»
    «Ja.»
    «Schiet», sagte Eddy, «wozu mußten sie denn den Davy umbringen?»
    «Laß es sein, Eddy», sagte Thomas Hudson, «wir werden das nie kapieren.»
    «Schiet auf alles.» Eddy sagte es und schob sich den Hut ins Genick.
    «Wir müssen einfach mitspielen», sagte Thomas Hudson zu ihm, «so gut es geht.» Aber er wußte, daß sein Interesse an diesem Spiel nicht groß war.

15
    Während der Überfahrt mit der ‹ î le de France› nach Europa lernte Thomas Hudson begreifen, daß die Hölle nicht notwendigerweise beschaffen ist, wie Dante oder einer von den anderen großen Höllenschilderern sie beschrieben hat. Sie konnte auch ein bequemes, schönes, überall beliebtes Schiff sein, das einen zu einem Land übersetzte, an das man immer voller Vorfreude gedacht hatte. Es gab da viele Kreise, und sie waren nicht ganz so genau festgelegt wie bei dem großen Florentiner Egotisten. Er war zeitig an Bord gegangen in der Hoffnung, wie er jetzt wußte, daß ihm das Schiff Zuflucht bieten würde vor der Stadt, wo er sich gefürchtet hatte, Leute zu treffen, die mit ihm über das, was geschehen war, sprechen wollten. Er hatte gehofft, an Bord mit seinem Gram zurechtzukommen, und nicht geahnt, daß man mit Gram nicht zurechtkommen kann. Gram kann durch Tod geheilt werden, oder er wird durch andere Sachen betäubt und entschärft, es heißt auch, daß Zeit ihn heile. Aber wenn sich Gram durch irgend etwas heilen läßt, was weniger gilt als der Tod, so ist es möglicherweise kein wirklicher Gram gewesen.
    Eine der Sachen, mit der man Gram überspielen konnte, weil man damit alles überspielte, zeitweise wenigstens, war Trinken, und auch mit Arbeit konnte man sich den Kopf frei machen.

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