Inselsommer
arbeitest?«
»Gegenfrage: Wie soll Paula das auffallen, wenn sie doch vorher nie hier war, du Quatschkopf. Außerdem bist du selbst erst
nach
ihr zu uns gekommen, schon vergessen?«, sagte Larissa und grinste, woraufhin Olli ihr die Zunge rausstreckte.
»Aber ihr versteht doch, was ich meine?«, antwortete er in gespielt weinerlichem Tonfall.
»Ja, Olli, wir verstehen dich«, echoten Larissa und ich im Chor und mussten lachen. Ich genoss es so, mal wieder unbeschwert zu sein.
Pünktlich um zwanzig Uhr hielten Bea und Larissa die offizielle Eröffnungsrede für das Lesefest.
Beide fassten abwechselnd die Geschichte des Festivals zusammen, erzählten von den Highlights der vergangenen Jahre und stellten das Programm der kommenden beiden Wochen vor. Währenddessen schenkten Vero und Rieke Sekt aus, und Leon fotografierte. Larissa wirkte überglücklich und strahlte über das ganze Gesicht, sobald ihr Mann in ihrem Blickfeld auftauchte.
Corinna Hartmann stand während der Rede im Türrahmen des Aufenthaltsraums und wartete darauf, dass ich ihr ein Zeichen gab. Auch diesmal war sie nervös, aber zum Glück deutlich weniger als beim letzten Mal. In der Zwischenzeit hatte sie sogar eine Lesereise quer durch Deutschland absolviert, und ihr Roman war gerade in die Bestsellerliste eingestiegen, ein phänomenaler Start für ein Debüt.
Auf einmal hörte ich hinter mir eine weibliche Stimme:
»Ich finde, Bea hätte sich ein wenig schicker machen können.« Als ich mich umdrehte, blickte ich in das hämische Gesicht von Ina aus Adalberts Yogakurs. Adalbert stand neben ihr und zog lediglich die Augenbrauen hoch, anstatt seine Schülerin zurechtzuweisen.
»Bea sieht immer toll aus«, zischte ich genervt. »Sie hat es eben nicht nötig, sich durch falsche Wimpern und Push-ups in Szene zu setzen.« Ina wurde auf der Stelle kalkweiß unter ihrer Sonnenbankbräune.
Wieso sagte ihr eigentlich keiner, dass das nicht nur ungesund war, sondern in höchstem Maße unattraktiv?!
Ich sah, dass Adalbert sich ein Lachen verkniff, und drehte mich wieder um. Wer hatte diese Frau überhaupt eingeladen? Und wieso waren die beiden zusammen hier?
Doch ich hatte keine Zeit, mir weitere Gedanken zu machen, weil Bea nun Corinna Hartmann ankündigte und ich die Autorin zum Podium führte.
Zunächst etwas zaghaft, aber dann immer selbstsicherer werdend, las Corinna aus ihrem Sylt-Roman. Es war mucksmäuschenstill, bis auf Ina, die immer wieder nieste. Ich tippte auf eine Allergie gegen ihren pinkfarbenen Lipgloss.
Adalbert tat das einzig Richtige: Er fasste die Ruhestörerin am Arm und führte sie zum Ausgang. Begleitet von einem weiteren Niesanfall, der zu guter Letzt in einer Hustenattacke mündete, verließ Ina die Veranstaltung.
Hoffentlich kommt sie nicht wieder!,
dachte ich und merkte, wie wütend ich immer noch auf sie war.
Nach einer Dreiviertelstunde war die Lesung beendet, und etwa hundert Zuhörer applaudierten frenetisch.
Mittlerweile war Ina wieder hereingekommen, doch Adalberts ganze Aufmerksamkeit galt Bea, die neben Corinna stand und die Signierstunde betreute.
Jeder, der zwei Augen im Kopf hatte, konnte sehen, dass Adalbert in Bea verliebt war.
Wieso nur kriegte Bea das nicht mit?
»Na, wie geht es dir?«, fragte Leon, der nach einem wahren Foto-Marathon offenbar das Bedürfnis verspürte, in Ruhe ein Bier zu trinken und mit mir zu plaudern.
»Super, ich liebe diese Veranstaltungen«, antwortete ich begeistert. »Aber ehrlich gesagt, gefallen mir die für Kinder noch besser. Wie sie alle bei Swaantje mitgefiebert haben! Als Erwachsener ist man oft zu abgeklärt, um sich vorbehaltlos in eine fantastische Welt fallenzulassen.«
»Ich weiß, was du meinst«, erwiderte Leon. »Und ich finde es schade, dass man hier auf der Insel kaum etwas für die Kids macht. Außer dem alljährlichen InselCircus in Wenningstedt, dem Zentrum Naturgewalten in List und dem Aquarium in Westerland gibt es leider kaum attraktive Angebote. Als Erwachsener hat man beinahe die Qual der Wahl, aber Kinder haben kaum eine Möglichkeit, sich zu amüsieren.«
Ich runzelte verwundert die Stirn.
»Wirklich? Ich dachte, Sylt sei ein Paradies für Kids.«
»Für die Einheimischen nicht unbedingt. Du kannst dir gern mal das Jugendzentrum in Westerland anschauen, etwas Trostloseres hast du wahrscheinlich noch nie gesehen. Man müsste sich auf die Dauer wirklich etwas einfallen lassen, wenn man vermeiden möchte, dass die Jugendlichen nur noch vor der
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